Spionage in Europa: Der Fall Skripal und Russlands enttarnte Agenten

Doppelagent Sergej Skripal half westlichen Geheimdiensten mit seinem GRU-Wissen.

Es ist kein Zufall, dass immer häufiger russische Spione in Europa enttarnt werden. „Am erfolgreichsten ist dabei der britische Auslandsnach-richtendienst MI6, der auch Partner-Geheimdienste mit entsprechenden Informationen versorgt. Der MI6 ist federführend bei der Aufklärung des russischen Militärgeheimdienstes GRU“, sagt der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom zum KURIER. „Ich nehme an, dass dieses breite Wissen der Briten über russische Spionage-Netze vom früheren GRU-Offizier Sergej Skripal stammt, der als Doppelagent für Briten gearbeitet hat. Auch der bereits abgeschlossene Fall des österreichischen Obersts dürfte auf die Vernehmungen Skripals zurückzuführen sein.“

Laut Schmidt-Eenboom hat Skripal, auf den am 4. März 2018 ein heimtückischer Nervengift-Anschlag mit Nowitschok im britischen Wohnort Salisbury von russischen Agenten verübt wurde, eine Reihe früherer Geheimdienst-Kollegen auffliegen lassen. „Skripal hat den Briten bis ins Jahr 2010 zum Beispiel geholfen, einen Spionage-Ring in Estland aufzudecken“, sagt der Experte. „Er hat auch in Prag einen Satz ehemaliger GRU-Kollegen geliefert.“ Ende September 2018 wurde in Norwegen ein russischer IT-Experte, der sich als Berater des Moskauer Parlaments ausgab, festgenommen. Er hatte an zumindest drei Konferenzen unter Federführung der EU-Kommission in Baku, Budapest und Lissabon teilgenommen. Bei ihm wurden technische Geräte sichergestellt.

Chemiewaffen

Am 13. April 2018 nahmen die niederländischen Sicherheitsbehörden vier russische GRU-Agenten fest, die in Den Haag in das Computernetzwerk der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) eindringen wollten. Diesen Angriff starteten die Russen aus einem vor dem OPCW-Büro geparkten Mietwagen, der mit technischen Abhörgeräten vollgestopft war.

Die britische Regierung hatte die Chemiewaffen-Organisation mit der Untersuchung des Nervengifts Nowitschok beauftragt, mit dem Skripal (und seine Tochter) getötet werden sollte.

Zwei der enttarnten GRU-Agenten hatten Zug-Tickets in die Schweiz bei sich. Ihr Ziel: Das Labor Spiez. Es ist auf die Untersuchung von Chemiewaffen spezialisiert und ist ein Referenzlabor für die OPCW. Das Labor war auch russischen Hackerangriffen ausgesetzt, wie der Schweizer Nachrichtendienst NBD bestätigte.

Im September 2016 haben GRU-Agenten außerdem versucht, in das Computernetz des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) in Lausanne, Schweiz einzudringen. Der CAS war in die Suspendierung des Olympischen Teams Russlands wegen systematischen Dopings involviert. Auch die Anti-Dopingbehörde Wada wurde in mehreren Ländern durch GRU-Operationen angegriffen.

NATO-Mitglieder

Im April 2016 wurden drei russische Spione in Estland enttarnt – mithilfe Skripals. Die baltischen Staaten sind ein wichtiges Aufklärungsziel der Russen. So wurde 2012 der estnische Sicherheitspolizist Alexei D. wegen Spionage für Moskau zu einer langen Haftstrafe verurteilt und im September 2015 gegen estnische Verfassungsschützer ausgetauscht. Letztere sollen ein Jahr zuvor auf estnischem Gebiet von Putins Agenten nach Moskau entführt worden sein. Estland steht wegen seiner NATO-Mitgliedschaft im Fokus der Russen.

Attentat früher geplant

Im Oktober 2014 reiste Skripal nach Prag, weil sich der tschechische Geheimdienst bei ihm für die Zusammenarbeit bedanken wollte. Skripal soll den Tschechen wichtige Informationen über GRU-Agenten geliefert haben. Bei diesem Besuch hatten sich schon jene zwei GRU-Agenten an Skripals Fersen geheftet, die später auch als Attentäter in Salisbury identifiziert wurden.

Anscheinend war schon in Prag ein Anschlag auf ihn geplant. Denn Skripal hat mit seinem Verrat das GRU-Netz zum Teil zerstört. Auf Verrat steht in Putins Reich der Tod. Das beim Attentat in Salisbury eingesetzte Nowitschok trägt die Handschrift des russischen Präsidenten. Motto: „Wir erwischen dich überall.“

Spionageskandal beim Bundesheer

Was wir bisher über den Spion wissen

Wem wird da überhaupt Spionage vorgeworfen?
Laut Verteidigungsministerium wurde nach dem Tipp eines Nachrichtendienstes ein 70 Jahre alter Offizier aus Salzburg ausgeforscht, der vor fünf Jahren pensioniert wurde. Er soll seit den 1990ern für die Russen spionieren.

Welche Beweise liegen bis jetzt vor?
In ersten Gesprächen soll der Pensionist ein Geständnis abgelegt haben. Er soll zuvor noch versucht haben, belastendes Material zu vernichten. Sichergestellt wurden ein Laptop und technische  Ausrüstung, die ihm die Russen zur Verfügung gestellt haben sollen – darunter etwa ein UKW-Radio, mit dem er verschlüsselte Nachrichten empfangen konnte.
 
Welche Informationen wurden weitergegeben?
Laut Verteidigungsminister Kunasek waren vor allem Waffensysteme, die Migrationssituation und Persönlichkeitsprofile von Interesse.  Nach ersten Einschätzungen gab der Spion aber nur weiter, was ihm in seinem Bereich zur Verfügung stand – nichts „streng Geheimes“.

Was droht dem Spion nun?
Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ – darauf stehen ein bis zehn Jahre Haft.

Geheimdienste und ihre Tätigkeiten

  • GRU Der russische Militärgeheimdienst hat mindestens 12.000 Mann, seine Agenten sind auch an Botschaften im Ausland tätig – etwa in Wien. Auftrag: militärische Aufklärung. Zum GRU gehört die Eliteeinheit Speznas, die auf der Krim und in der Ukraine eingesetzt wird bzw. wurde.
  • SWR Der russische Auslandsgeheimdienst soll 15.000 Mitarbeiter beschäftigen und sich vor allem auf  Politik, Technologie und Wirtschaft konzentrieren. Die Agenten werken an Botschaften und sind in Wien bei der UNO platziert.
  • FSB Der russische Staatssicherheitsdienst beschäftigt etwa 100.000 Mitarbeiter. Putin war von Mitte 1998 bis Mitte 1999  FSB-Chef. Von 1985 bis 1990 war Putin KGB-Offizier in der früheren DDR.
  • HNaA Das Heeresnachrichtenamt holt für Österreich Informationen aus dem Ausland ein. Zusätzlich unterstützt das HNaA auch das Situation Center der EU.
  • AbwA Das Abwehramt soll Beeinträchtigungen der militärischen Sicherheit im Inland verhindern.

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