Geheime Moskauer Akten enthüllen, wie der Osten sich dem Westen öffnete

Geheime Moskauer Akten enthüllen, wie der Osten sich dem Westen öffnete
Der östereichische Historiker Stefan Karner konnte bisher unter Verschluss gehaltene Schriftstücke zur Westpolitik der KPdSU einsehen.

Im Jahr 2017 gingen zwei Historiker über die gefrorene Moskwa in Richtung Russisches Staatsarchiv. Und sie waren unsicher. „Denn wir wussten nicht, wie unser Bitte aufgenommen werden würde, erstmal über die Zeit  zwischen 1968 und 1972 zu forschen.  Wir fanden offene Türen vor“, erzählt einer von ihnen, Stefan Karner nämlich. Der ehemalige Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung wurde bekannt, weil er 1991 als  erster westlicher Historiker Zugang zu den damals noch streng geheimen sowjetischen Archiven erhielt.

Jetzt hat er einen neuen Coup gelandet: Gemeinsam mit Hans Jürgen Küsters von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (der zweite eingangs erwähnte Historiker) konnte er erstmals bisher unter Verschluss gehaltene Schriftstücke zur Westpolitik der Jahre 1967 bis 1972 aus dem Bestand der KPdSU einsehen.

Anfang vom Ende des Kalten Krieges

Entspannung zwischen Ost und West war eine wesentliche Voraussetzung für die Beendigung des Kalten Krieges. Karner war klar:  Der Schlüssel zur Öffnung der Türen in Europa ist in Moskau zu suchen. Bisher wurde die veränderte Ost- und Entspannungspolitik allein als Erfolg Willy Brandts dargestellt. „In Wahrheit war die Westpolitik das höchstpersönliche Projekt von Leonid Breschnjew, und er setzte sich gegen Widerstände durch“, sagt Karner. Der junge Breschnjew war dem Westen zugewandt. Er sah den  technologischen Vorsprung im Westen, und dass die Sowjetunion so nicht weitermachen kann.“

Spannend sei der Perspektivenwechsel: "Über Beweggründe und Entscheidungsabläufe in den westlichen Regierungen wissen wir viel, wie es aber im Herzen von Moskau aussah, wissen wir wenig. Da beginnt sich der Schleier über den Abläufen durch die neuen Dokumente zu lüften", sagt Historiker Küster.

Wandel durch Handel

Beim Kurswechsel spielte die Wirtschaft eine wichtige Rolle: „Der Westen benötigte Energie, und die Sowjetunion brauchte westliches Know-how“, sagt Karner. Was folgte, war eine Reihe von bilateralen Wirtschaftsabkommen, die vertrauensbildend wirkten. Das mündete letztlich 1970 im sogenannten Moskauer Vertrag zwischen Willy Brandt und Leonid Breschnjew, der die Ostpolitik der BRD und die Westpolitik der Sowjetunion auf eine neue Basis stellte. Die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, die Ostverträge, der sinnbildliche Kniefall Willy Brandts in Warschau, die Abrüstungsverhandlungen, Helsinki, die KSZE (OSZE), letztlich der Zusammenbruch der KP-Regime und das Ende des Kalten Krieges sind auf den 12. August 1970 zurückzuführen.

Geheime Moskauer Akten enthüllen, wie der Osten sich dem Westen öffnete

Die Ergebnisse des dreijährigen Forschungsprojektes des Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung gemeinsam mit der Konrad Adenauer-Stiftung in Berlin-Bonn liegen nun in Form einer physisch wie inhaltlich schwerwiegenden Publikation (800 Seiten!) vor:

Entspannung im Kalten Krieg. Der Weg zum Moskauer Vertrag und zur KSZE (Herausgeber: Stefan Karner u.a., Leykam-Verlag, 44,80 €)

Am  Internet-Portal www.ostpolitik.de  sind die interessantesten Akten des Politbüros auf Russisch und Deutsch zugänglich.

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