Grausame Details: Was in den Todes- und Folterkammern des Assad-Regimes passierte
Frauen, ja sogar Kinder strömen verwirrt aus den Zellen des berüchtigten Sednaya-Gefängnisses in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Noch wissen sie gar nicht, was gerade passiert.
Doch nachdem islamistische Rebellen das brutale Assad-Regime binnen Tagen hinweggefegt hatten, öffneten sich für die Inhaftierten die Türen. Ihr Martyrium fand ein Ende.
Zehntausende im ganzen Land sind wieder in Freiheit. Und nach und nach werden die grausamen Details der jahrzehntelangen brutalen Diktatur bekannt. Nichts für schwache Nerven.
"Schlachthof" Sednaya-Gefängnis
„Der Geheimdienst kannte mehr als 80 Arten der Folter“, sagt der syrische Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Begonnen habe der Leidensweg der Inhaftierten mit der „Willkommensparty“: „Die Wächter standen im Spalier, schlugen mit Stöcken und Kabeln. Und von da an wurden die Gefangenen systematisch gebrochen.“
Zwischen 2006 und 2011 saß er selbst in dem riesigen Sednaya-Komplex, genannt „Der Schlachthof“. Nach seiner Freilassung gelang dem heute 65-Jährigen die Flucht nach Deutschland.
Er ist überzeugt davon, dass viele Kinder, die jetzt erstmals den dunklen Kerker verlassen konnten, bei „Vergewaltigungen gezeugt wurden. Sexuelle Gewalt wurde systematisch eingesetzt. Die syrische Staatsfolter zeigt die Extreme, zu denen der Mensch fähig ist“, gießt al-Bunni das Unfassbare in Worte.
Seine Schilderungen decken sich mit den Berichten der jetzt Freigelassenen und früheren Studien. So heißt es in einer Dokumentation Überlebender und Angehöriger von Inhaftierten, aus der der Stern zitiert: Wasserentzug sei in Sednaya eine der beliebtesten Foltermethode gewesen. „Wir leckten Kondenswasser von den Wänden und der Decke. Nach neun Tagen begannen die ersten, ihren eigenen Urin zu trinken“, sagt ein Mann.
Gefangene seien gezwungen worden, sich gegenseitig zu vergewaltigen, hätten tagelang nasse Kleidung tragen oder komplett nackt herumlaufen müssen. Die hygienischen Verhältnisse seien katastrophal gewesen, Krankheiten aller Art die Folge. Viele gingen langsam zugrunde.
"Eiserne Presse" als Folterwerkzeug
Andere wurden gleich hingerichtet oder überlebten die Folter nicht. Wobei unter anderem ein barbarisches Instrument, das jetzt in Sednaya entdeckt wurde, zum Einsatz gekommen sein soll – die „Eiserne Presse“. Mit ihr sollen Menschen zu Tode gequetscht worden sein. „Es gibt kein Verbrechen, das das Regime von Assad nicht begangen hat“, sagt dazu Charles Lister, Syrien-Experte des Middle East Institute, zur deutschen Bild.
Massengräber gefunden
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schätzt, dass im Zeitraum von 2011 bis 2015 allein im „Schlachthof“ zwischen 5.000 und 13.000 Menschen hingerichtet wurden oder während der Folter starben. In der Hochphase sollen dort bis zu 20.000 (oppositionelle) Syrer inhaftiert gewesen sein.
Es soll zeitweise sogar ein Krematorium gegeben haben, um die vielen Leichen zu verbrennen, zudem sollen diverse Massengräber auf dem Areal zu finden sein.
Manche überstanden die Torturen zwar, verbrachten aber Jahrzehnte hinter den Kerkermauern. So wie etwa Raged Altatary. 1982 weigerte sich der damalige Militärpilot, während der so genannten "Hama-Rebellion" auf Protestierende zu schießen – und landete dafür im Gefängnis. Jetzt, 42 Jahre später, kam er frei.
Die neuen Machthaber wollen nun Listen auflegen, die „die Namen der ranghöchsten Beamten enthalten, die in die Folterung des syrischen Volkes verwickelt sind“, schrieb der Anführer der dominierenden Islamistenmiliz HTS, Abu Mohammed al-Dschulani, im Online-Dienst Telegram. Und lobte nicht näher genannte „Belohnungen“ aus, um „Kriegsverbrecher“ zu überführen.
Auch der UN-Menschenrechtskommissar, der Österreicher Volker Türk, fordert, „die Verantwortlichen für die Verstöße (...) zur Rechenschaft zu ziehen“. Dies sei ein „Schlüsselelement“ des politischen Übergangs. Bei diesem müsse am Ende des Tages auch eine gesellschaftliche Aufarbeitung der bleiernen Zeit stehen, sagt Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni. "Auch wenn es wehtut“.
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