"Sturz des Tyrannen": Internationale Pressestimmen zum Machtwechsel in Syrien

"Sturz des Tyrannen": Internationale Pressestimmen zum Machtwechsel in Syrien
Die Diktatur des Assad-Regimes ist in Syrien seit Sonntag Geschichte. Wie Medien den Machtwechsel kommentieren.

Internationale Tageszeitungen kommentieren den Sturz des Assad-Regimes in Syrien am Montag wie folgt:

"De Telegraaf" (Amsterdam):

"Die Flucht von Assad war gerade erst bekanntgeworden, da begrüßten europäische Regierungen schon den Sturz des Tyrannen, der sogar Giftgas gegen sein eigenes Volk eingesetzt hatte. Deutschland bezeichnete den Fall des Regimes als große Erleichterung für Millionen von Syrern, während die Franzosen auf eine friedliche Machtübergabe drängten.

Allerdings ist bei aller Euphorie über den Umbruch in Syrien eine gewisse Zurückhaltung geboten. Nach dem Sturz des Schahs von Persien (Iran) und Jahre später des irakischen Despoten Saddam Hussein war der Jubel ebenfalls groß. Im Iran terrorisieren heute die Ajatollahs die Bürger und finanzieren den Kampf gegen Israel. Und im Irak hat sich die Lage der Bevölkerung auch nicht verbessert.

Abgesehen von einem Flüchtlingsstrom, der bereits im Gange ist, ist noch unklar, was der Kurs der dschihadistischen HTS-Rebellen für das syrische Volk bedeutet. Allein die Tatsache, dass diese Gruppierung einst aus der Terrorbewegung Al-Kaida hervorgegangen ist, sollte allzu viel Optimismus dämpfen."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Der Untergang des Hauses Assad ist nicht nur für Millionen von Syrern eine Erleichterung, die unter den Schergen des Diktators unermesslich gelitten haben. Auch viele Libanesen, die sich für ihr Land eine andere Zukunft wünschen als ein ewiges Schattendasein im Orbit Irans, schöpfen Hoffnung. Nicht zuletzt sind die Nachrichten aus Syrien eine frohe Kunde für all jene, die Putins Russland geschwächt sehen wollen. Moskau war ebenfalls ein Verbündeter des gestürzten Assad.

Der Fall von Damaskus bedeutet eine Zeitenwende im Nahen Osten. Das kann eine Chance sein. Doch dazu muss in Syrien jetzt ein neuer Staat entstehen, der seinen Bürgern nicht nur Freiheit, sondern auch wirtschaftliche Stabilität bietet. Nicht nur die Rebellen, sondern auch die oft zerstrittenen regionalen Mächte am Golf und am Bosporus sind gefragt. Der Westen muss sie dabei unterstützen, ohne in missionarische Hybris oder Gleichgültigkeit zu verfallen.

Ob das gelingt, ist fraglich. Denn der Rebellenführer Abu Mohammed al-Golani, der neue starke Mann Syriens, ist nicht nur ein strammer Islamist. Er regierte in Idlib auch wie ein Autokrat. Und er ist nicht allein. In dem kaputten Land streben weitere Milizen nach einem Platz an der Sonne: Kurden, die türkischen Vasallen von der Syrischen Nationalen Armee und die Überreste des Islamischen Staats. Sie drohen schon jetzt aufeinander loszugehen."

"Washington Post":

"Wenn das Leben voller Überraschungen ist, so ist das Leben im Nahen Osten voller Schocks. Selbst nach diesem Maßstab übertrifft der Fall von Damaskus alles. Bis vor zwei Wochen schien nichts in der Region dauerhafter als das verhasste Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Und doch, am Sonntag krönten regierungsfeindliche Milizen eine Blitzoffensive durch das Land, indem sie Syriens Hauptstadt einnahmen, während Assads Armee dahinschmolz. Assad floh aus dem Land und beendete so die brutale, ein halbes Jahrhundert lange Dynastie seiner Familie.

Zu Assad sagen wir: Gott sei Dank. Die Geschwindigkeit seines Sturzes bezeugt die Illegitimität seiner fürchterlichen Herrschaft, die durch Massenexekutionen, Folter und Unterstützung von Terrorismus gekennzeichnet war (...) Für die Syrer ist der Alptraum der schlechten Regierung Assads endlich vorbei. Aber die Euphorie über seinen Sturz sollte gezügelt werden angesichts der Fragen, was als Nächstes kommt."

"Corriere della Sera" (Rom):

"Vor die Wahl zwischen Syrien und der Ukraine gestellt, hat sich Wladimir Putin für die Ukraine entschieden. Ein Dilemma, das die extreme Schwäche des russischen Präsidenten offenbart: Er strebt danach, sein Land wieder zur Supermacht zu machen, die auf Augenhöhe mit den USA und China konkurrieren kann, ist aber nicht einmal in der Lage, an zwei Fronten gleichzeitig zu kämpfen. Kiew nimmt die Nachricht mit Genugtuung auf. (...)

Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille, denn ein in die Enge getriebener Diktator riskiert, noch gefährlicher zu werden als zuvor. Zuletzt hatte Putin keine Männer und Mittel, um sie Assad zu Hilfe zu schicken. Und er ist in einer so schlechten Verfassung, dass er nun sogar nordkoreanische Soldaten für die Kämpfe um Kursk braucht. Und dennoch wird dies ein weiterer Grund für Moskau sein, das Gaspedal im Krieg gegen die Ukraine durchzudrücken."

"Komsomolskaja Prawda" (Moskau):

"Der bis zum Äußersten überhitzte syrische Kessel hat schlussendlich dem ständig steigenden Innendruck nicht standgehalten und ist explodiert. Die am 27. November von der nicht von Damaskus kontrollierten Provinz Idlib aus gestartete Offensive verschiedenster Gruppierungen der bewaffneten syrischen Opposition hat sich zu einem für die Regierungskräfte katastrophalen Blitzkrieg entwickelt.

Ja, Russland hat unter anderem mit Hilfe seiner Luftwaffe der Regierung von Assad geholfen, gegen die extremen terroristischen Kräfte im Land zu kämpfen. Aber wir haben niemals geplant, die regulären syrischen Kräfte auf dem Schlachtfeld zu ersetzen. Das ist ihr Land und sie müssen ihr Schicksal selbst entscheiden. Präsident Wladimir Putin hat seinerzeit dazu direkt gesagt: "Wir wollen keine größeren Syrer sein als die Syrer selbst." Aber wofür Moskau von Anfang an immer eingetreten ist - das ist die Schaffung eines Dialogs und die Wiederaufnahme von Verhandlungen der Syrer untereinander unter Ägide der UN."

"De Standaard" (Brüssel):

"Assad wurde zu einem der größten Massenmörder des 21. Jahrhunderts. Unter moralischen Gesichtspunkten ist sein Sturz die positivste Nachricht des Jahres - wobei wir bisher nicht wissen, was nun in Syrien folgen wird. (...)

Wenn man an den Irak, an Afghanistan oder Libyen denkt, gibt es viele Gründe, hinsichtlich der künftigen Entwicklung in Syrien nicht optimistisch zu sein. Nach 50 Jahren Diktatur und 14 Jahren Blutvergießen wächst in einem Land, das ein konfessioneller Flickenteppich ist, nicht von selbst eine liberale Demokratie heran. Vor allem bleibt abzuwarten, wie repressiv die islamische Herrschaft des neuen Machthabers Abu Mohammed al-Golani ausfallen wird. (...)

Europa hatte jegliches Engagement in Syrien längst aufgegeben. Auch die USA haben das Land sich selbst überlassen. Dies ist jetzt ein Moment, den der Westen nicht verpassen sollte. Die harten Lektionen aus Irak, Afghanistan und Libyen haben gezeigt, was nicht funktioniert. Es wäre jedoch falsch, weiter im Abseits zu bleiben, während die totalitären Kräfte schwächer werden und die Bevölkerung die Hoffnung auf Freiheit hegt."

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