Aber was noch viel bedeutsamer ist: In fünf von sechs so genannten Swing-States – und dort ist es , wo sich die US-Wahlen letztlich entscheiden – liegt Donald Trump auch vor seinem wichtigsten Gegner, US-Präsident Jo Biden.
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Wäre man glühender Trumpianer, müsste man nun nur noch entspannt warten, bis sich"sleepy Joe" eines seiner mittlerweile immer häufiger auftretenden Hoppalas leistet: stolpern, stürzen, kurz geistig wegtreten, immer langsamer sprechen, Dinge vergessen. Kurz gesagt: sehr, sehr alt wirken.
Die Gerichtsverfahren
Doch das Wahljahr beginnt erst – und alles, aber auch wirklich alles kann sich noch von oben, nach unten und zurück kehren.
Da wären zunächst Trumps Gerichtsverfahren: Vier Prozesse mit insgesamt 91 Anklagepunkten sind anhängig. Und je nach Experten oder Rechtswissenschafter kommt nach dem Motto – zwei Juristen, drei Meinungen – eine große Bandbreite an Antworten in Frage: Nein, wenn Trump verurteilt werde, könne er gar nicht gewählt werden – andere geben sich wiederum überzeugt, dass selbst ein verurteilter Donald Trump, quasi vom Gefängnis heraus und zum Staatsoberhaupt gewählt, sich selbst Amnestie gewähren könnte.
Und da ist nun auch noch das Urteil eines Gerichts in Colorado, das Trump die Kandidatur im Bundesstaat verbietet. Dabei ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen, darüber entscheidet das Höchstgericht der USA. Aber Kandidatur oder nicht – in Colorado hat der Republikaner ohnehin nichts zu melden, der Bundesstaat ist immer eine sichere Bank für die Demokraten.
Alles in allem: Die definitive Antwort auf Trumps Gerichtsexzesse und deren Folgen für seiner Wählbarkeit steht noch aus.
Sicher ist aber schon jetzt: Sollte der Ex-Präsident tatsächlich verurteilt werden, dürften ihm das viele seiner republikanischen Wähler übel nehmen. Dann würden ihm, das besagen die jüngsten Umfragen in den Swing States, genau jene paar Prozentpunkte an Wählerstimmen fehlen, die er für den Sieg in den jeweiligen Staaten von Nevada bis Georgia braucht.
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So sehr sich Trump auch als Justiz-Opfer der Demokraten gebärdet und hofft, damit neue Unterstützer zu finden – so sehr muss er also auch fürchten, tatsächlich verurteilt zu werden. Die Frage ist nur: vor den Wahlen im November? Jede Verzögerung der Verfahren spricht für den früheren Präsidenten.
Und die Demokraten?
Und auf der anderen Seite – bei den Demokraten? Da wagte sich bisher noch kaum ein Parteigänger aus der Deckung, um einen jüngeren, agileren, frischeren Kandidaten anstelle des 81-jährigen Joe Biden aufzustellen.
Und so dürfte es dabei bleiben: Gegen einen amtierenden Präsidenten lässt sich kein demokratischer Politiker, der noch einmal was werden möchte, sinnlos verheizen. Leistet sich Biden bis zum Sommer keinen kolossalen Fehler, wird er der Kandidat der Demokraten für die Wahl im November bleiben.
Es wird ein brutaler, aggressiver und wie immer teurer Wahlkampf werden. Und auch wenn das Duell letztendlich wieder Trump gegen Biden heißen könnte, ist dieses Mal doch einiges anders.
2016, als Trump zu seiner eigenen Überraschung tatsächlich gesiegt hatte, war der Millionär mit dem losen Mundwerk herzhaft wenig vorbereitet. Er hatte zu wenige geeignete Mitarbeiter an seiner Seite, in manchen Ministerien wurden seine Vorgaben nie ganz umgesetzt.
Pläne in der Schublade
Dieses Mal werden schon ein Jahr vor den Wahlen Pläne geschrieben, dieses Mal hat Trump früh genug Experten um sich geschart, um seine "Make-America-Great-Again"-Ziele um sich geschart.
Und was Europa betrifft, verheißen diese Pläne nichts Gutes:
Da wird es wieder darum gehen, die eigene, amerikanische Wirtschaft mittels Strafzahlungen und Zöllen vor den Anbietern aus Europa abzugrenzen.
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Da wird die NATO wieder zu hören bekommen, dass die Europäer für ihre eigene Verteidigung gefälligst mehr tun und zahlen sollen. Und das Verteidigungsbündnis kann nur darauf hoffen, dass Trump nicht wieder erklärt, die NATO sei "obsolet".
Und kaum ein Präsident auf dieser Welt dürfte sich bei einer Wiederwahl Trumps mehr freuen als Kremlherr Wladimir Putin. Schließlich verspricht der Ex-US-Präsident immer wieder, er werde den Krieg zwischen Ukraine und Russland binnen eines Tages beenden. Das hieße im Klartext: Russland bekäme alle gewaltsam eroberten Gebiete – die Ukraine hätte den Krieg verloren. Kein Wunder also, dass Putin bei diesen Aussichten nur durchhalten und den Krieg aussitzen muss – bis es einen Sieger Donald Trump gibt.
Natürlich kann immer alles anders kommen, können Umfragen grandios daneben liegen und das Schicksal einen völlig unerwarteten Verlauf nehmen.
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Aber eines bleibt eine unverrückbare Tatsache: Amerikanische Wahlen und ihr Ausgang haben große Auswirkung auch auf Europa, auch auf Österreich. Ob der Sieger am 5. November Joe Biden oder Donald Trump oder sonst wie heißen wird: Es wird uns mehr betreffen als der Ausgang der Europa-Wahlen im Juni.
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