Nur noch knapp 35 Prozent finden seine Arbeit gut. Er wäre bei der nächsten Amtseinführung bereits 82 und am Ende einer zweiten Amtsperiode 86 Jahre alt. Über 70 Prozent der Amerikaner glauben, dass Biden, der regelmäßig mit konfusen Aussetzern auffällt, das nicht durchstehen würde.
Trump, auch schon 77, löst diese Ängste nicht aus.
„Biden leidet unter einem Paradox“, sagen parteiunabhängige Bewohner des Washingtoner Stadtteils Chevy Chase just bei einem Grillabend, „das es so wohl noch nie gegeben hat.“ Demnach müsse man den 80-Jährigen zu den „erfolgreichsten Präsidenten der vergangenen 100 Jahre zählen“. Weil: Wie er auf Russlands Angriff gegen die Ukraine reagiert und die NATO hinter sich versammelt habe; wie er mit Raffinesse nach Corona das größte Konjunktur- und Infrastrukturpaket aller Zeiten durch den Kongress gelotst habe; wie er die Inflation bekämpfe und die Konjunktur stärke, „das nötigt mir einigen Respekt ab“, sagt der 54-jährige Designer Matt Herrington.
Schlechte Laune
Und schränkt sofort ein: „Leider kommt vieles nicht bei den Amerikanern an. Die meisten kultivieren schlechte Laune, obwohl es ihnen wirtschaftlich ganz passabel geht.“
Herringtons Partner Doug sieht einen Grund in der übermäßigen Medienberichterstattung über Donald Trump, der das „Land wider besseres Wissen täglich an den Abgrund der Apokalypse redet.“ Dabei legten die USA im dritten Quartal knapp fünf Prozent beim Wirtschaftswachstum zu und der Arbeitskräftemarkt ist nach wie vor so gut wie leer gefegt.
Dass zurzeit trotzdem weit über 50 Prozent der Amerikaner ihre Zukunft düster und das Land auf dem falschen Weg sehen, liegt nach Befragungen von Analysten an „Dauerbrennern“, die auch diese Regierung nicht in den Griff bekommt:
Hohe Kriminalität
Neben der grassierenden Kriminalität – Morde und Auto-Diebstähle sind vielerorts auf Rekordhöhen – liegt vielen Amerikaner die ungeklärte Immigration im Magen. Seit Bidens Amtsantritt Anfang 2021 haben fast drei Millionen Menschen versucht, illegal über die Grenze zu Mexiko in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Das Asyl-System mit ist laut Experten im Heimatschutzministerium nahezu kollabiert.
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Zehntausende Armutsflüchtlinge aus Latein-Amerika und anderen Teilen der Welt werden von republikanisch geführten Bundesstaaten im Süden in die Metropolen im Norden verfrachtet.
Die Quittung
Mit der Folge, dass etwa in New York der demokratische Bürgermeister Eric Adams seinen Parteifreund Biden persönlich dafür verantwortlich macht, wenn im „Big Apple“ bald der Notstand ausgerufen werden müsse, weil die Aufnahmekapazitäten erschöpft seien. Adams und Amtskollegen aus Houston und Chicago warnen: „Wer die Einwanderungsfrage unterschätzt und den Status quo nicht substanziell verbessert, bekommt 2024 dafür die Quittung.“
Anders als in Vorjahren erwarten Strategen in beiden großen Parteien, dass Außenpolitik beim Urnengang 2024 eine größere Rolle spielen wird. Im Frühling geht der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ins dritte Jahr. Trotz dreistelliger Milliardenhilfe durch Washington hat Kiew Putins Expansionsstreben nicht stoppen können. Die Bereitschaft, weiter Militärgüter zu schicken, nimmt in Amerika stetig ab.
Präsident Biden wird es schwerfallen, das Engagement durchzuhalten, das sein Kontrahent Trump als „grundfalsch“ bezeichnet. Zumal der Hamas-Terror gegen Israel die Koordinaten gerade verschoben hat und eine Konfrontation zwischen Amerika und dem Terror-Paten Iran nicht ausgeschlossen werden kann.
Beistand für Israel
Biden will Amerikas Soldaten aus Kriegen fern der Heimat unbedingt heraushalten. Sollte das misslingen, werden im Wahlkampf die Karten „völlig neu gemischt“, schreiben US-Leitartikler. Wie volatil die Gemengelage schon heute ist, zeigt Bidens Spagat: Er bekundet Beistand für Israel, pocht aber gleichzeitig auf Wahrung der humanitären Interessen palästinensischer Zivilisten. Das hat den 80-Jährigen viel Rückhalt im eigenen Lager gekostet. Waren demokratische Wähler im September noch zu 86 Prozent mit Biden zufrieden, fiel die Zustimmung in nur einem Monat um elf Prozentpunkte.
Der Aderlass kann sich in Michigan verheerend auswirken. In dem Bundesstaat lebt das Gros der 3,5 Millionen Amerikaner mit arabischen Wurzeln. Bei der vergangenen Wahl gab diese Bevölkerungsgruppe mit überwältigender Mehrheit Biden den Vorrang vor Trump. Heute würde nur noch knapp 15 Prozent davon den Demokraten wählen.
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