Wieder Prozess am Hals: Diesmal könnte sich Trump nicht begnadigen

Die orangefarbenen Sicherheitsbarrieren vor dem Fulton County Courthouse im Herzen Atlantas deuten schon seit Tagen an, dass Polizei und Justiz in der Metropole des Bundesstaates Georgia einen Fall vor sich glauben, der besondere Präventionsmaßnahmen erfordert.
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Ab Montag ist es so weit. Wieder steht dabei Donald Trump im Mittelpunkt. Wieder seine Versuche, das Präsidentschaftswahlergebnis von 2020 nachträglich kippen zu lassen. Aber diesmal geht es um "Organisierte Kriminalität". Und im Falle einer Verurteilung um eine jahrelange Haftstrafe – und die wiegt besonders schwer. Denn anders als in all den anderen Fällen könnte sich Trump im Falle seiner Wiederwahl 2024 nicht selbst begnadigen. Das kann in Georgia nur eine Justizbehörde.
"Finde die Stimmen!"
In einem Telefonat forderte der US-Präsident den obersten Wahlbeamten des Südstaates Anfang Jänner 2021 – also zwei Monate nach der Wahl – dazu auf, nachträglich rund 12.000 Stimmen "zu finden", um den Wahlsieg von Joe Biden im Nachhinein zu neutralisieren. Der aber weigerte sich. Anders als der auf Bundesebene erst seit Jahresanfang gegen Trump ermittelnde Jack Smith, hat sich die in Atlanta verantwortliche Bezirksstaatsanwältin Fani Willis zweieinhalb Jahre mit den Untersuchungen Zeit gelassen.
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Die Ergebnisse sollen in der nächsten Woche nach letzten Vernehmungen zwei Geschworenen-Jurys vorgelegt werden. Es wird davon ausgegangen, dass eine Mehrheit die Vorwürfe für anklagereif erachtet.
Georgia ist für Trump und, wie bereits durchsickerte, ein Dutzend-Mitverschwörer, darunter wieder sein Anwalt und Berater Rudy Giuliani, besonders heikel.
Die Gesetze des Bundesstaates erlauben den zangenhaften Zugriff über ein Statut, das sonst nur bei der Strafverfolgung der Mafia und anderen Formen der "Organisierten Kriminalität" zur Anwendung kommt.
Beim sogenannten "RICO-Act" muss der Nachweis geführt werden, dass die Angeklagten in breiter, auch Bundesstaatsgrenzen überschreitender Komplizenschaft koordiniert ein gemeinsames kriminelles Ziel verfolgten: in diesem Fall das Kippen der Präsidentschaftswahl 2020.
Etliche Zielpersonen der Ermittlungen, berichtete das in Atlanta ansässige "Constitution Journal", haben mit den Behörden kooperiert. Ihnen wurde strafrechtliche Immunität zugesichert.
Massive Sicherheitsmaßnahmen
Weil Trump seine Anhänger seit Monaten gegen den "deep state" aufhetzt, der ihn vor der Wahl mit dem Strafgesetzbuch außer Gefecht setzen wolle, haben die Behörden aus Sorge vor Selbstjustiz radikaler Trump-Anhänger einen Sicherheitskordon um den Justizpalast legen lassen.
Bezirks-Sheriff Patrick Labat nimmt die Lage ernst. Um auf der Höhe der Zeit zu sein, hat der Polizeichef Atlantas zu Trumps vorherigen Anklage-Erhebungen in New York und Miami Experten entsenden lassen, um von den massiven Sicherheitsmaßnahmen dort zu lernen. Fani Willis, die erste Afroamerikanerin in ihrem Amt, hat regelmäßig zwei Bodyguards an ihrer Seite, seit Beleidigungen und Drohungen durch Trumpianer drastisch zugenommen haben. Trump wirft der Staatsanwältin vor, "rassistisch" zu sein.
Die Anwälte des Ex-Präsidenten wollen die Ermittlungen von Fani Willis für nichtig erklärt wissen und einen Prozess unbedingt verhindern. Der zuständige Höchstrichter Robert McBurney hat jedoch entschieden, dass die Anklage abgewartet werden muss, bevor sie juristisch angegriffen werden kann.
Trumps Sorge hat eine besondere Note. Sollte er 2024 wieder ins Weiße Haus einziehen, könnte er in allen auf Bundesebene laufenden Strafrechtsverfahren intervenieren oder sich im Falle einer Verurteilung selbst begnadigen. Dieses recht vorsintflutlich wirkende Instrument greift in den Bundesstaaten nicht. Trump, dem in Georgia eine Mindeststrafe von fünf Jahren droht, wie Eingeweihte sagen, wäre auf die Milde von Brian Kemp angewiesen. Der republikanische Gouverneur Georgias aber hält Trump für den "Totengräber" seiner Partei.
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