Wahllügen, Spott und Drohungen gegen Europa: Donald Trump noch radikaler
Kaitlan Collins mühte sich 70 Minuten lang wirklich nach Kräften. Sie korrigierte die wie Salven aus einem Sturmgewehr kommenden Lügen, Verzerrungen und Falschdarstellungen ihres Gesprächspartners in Echtzeit mit Fakten.
Sie unterbrach den mäandernden Redeschwall des 76-Jährigen manchmal im Sekundentakt - so ausdauernd, dass Donald Trump die junge, gleichwohl erfahrene CNN-Moderatorin (31) an einer Stelle eine "garstige Person" nannte - und was hat es gebracht?
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Der Versuch des um Einschaltquote ringenden US-Senders, der vom Ex-Präsidenten lange Jahre gemieden und linkslastiger Schlagseite bezichtigt wurde, seinem Publikum den aussichtsreichsten republikanischen Kandidaten für 2024 in einem Wähler-fragen-Politiker-antwortet-Live-Format näher zu bringen, ist nach einhelliger Meinung von US-Medien gescheitert.
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Donald Trump walzte die als Bindeglied zwischen Gast und Publikum in einem Edel-College in New Hampshire auf der Bühne stehende Journalistin am Mittwochabend nieder, redete an ihr vorbei oder über sie hinweg. Immer in Richtung eines aufgepeitschten Fan-Publikums, das dem gerade frisch wegen sexuellen Missbrauchs zu fünf Millionen Dollar Schadensersatz verurteilten Unternehmer Ovationen im Stehen zuteilwerden ließ.
Und peinlicherweise selbst da genüsslich applaudierte, als Trump das Opfer seiner gerichtsfest dokumentierten sexuellen Übergriffigkeit, E.J. Carroll, erneut herabwürdigte. Er nannte die 79-Jährige eine "Spinnerin", die "ihre Katze oder ihren Hund Vagina" nenne und eine "erfundene Geschichte" gegen ihn in Stellung gebracht habe. Der Prozess sei "manipuliert", der Richter "furchtbar" gewesen.
An keiner relevanten Stelle der Diskussion ließ Trump eine gemäßigtere Haltung durchschimmern. Dass sein damaliger Vizepräsident Mike Pence am 6. Januar 2021 nicht in seinem Sinn den Wahlsieg von Joe Biden durch verfahrenstechnische Tricks hintertrieben habe, sei ein "schwerer Fehler" gewesen. Sich bei Pence zu entschuldigen, den seinerzeit militante Trump-Anhänger am Kapitol aufhängen wollten, fällt Trump nach wie vor nicht ein.
Dagegen dürfen Hunderte verurteilte Straftäter, die beim Umsturzversuch in der Herzkammer der Demokratie teilweise blutige Gewalt einsetzten, im Fall seiner Wahl mit Begnadigung rechnen. Es seien "gute Patrioten".
Ausgangspunkt all seiner Betrachtungen ist unverändert die von ihm seit 30 Monaten kultivierte Lügen-Litanei von der angeblichen gestohlenen Präsidentschaftswahl 2020. "Wenn man nicht ein sehr dummer Mensch ist, dann sieht man, was passiert ist." Collins dementierte mehrfach, sagte ihrem Gast, er könne "das nicht den ganzen Abend erzählen". Trump pfiff drauf.
Trump zum Ukraine-Krieg
Einmal mehr ließ Donald Trump seiner Hybris freien Lauf, als es um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ging. Vorweg: Unter seiner Präsidentschaft, so Trump, hätte Putin das nicht gewagt. Einen Kriegsverbrecher will Trump den von ihm offen bewunderten Kreml-Herrscher aber nicht nennen, das würde die Beilegung des Konflikts erschweren. Apropos: "Wenn ich Präsident bin, habe ich diesen Krieg in 24 Stunden beendet." Wie? Kein Kommentar.
Das gilt auch für die Frage, ob die Ukraine den Krieg gewinnen soll und die USA das Land weiter mit Waffen beliefern werden. Trump legt sich hier dezidiert nicht fest. Schon eher, was Europa angeht. Amerika habe inzwischen 171 Milliarden Dollar in die Ukraine gepumpt (woher die Zahl kommt, weiß kein Mensch). Europa, das groß sei und viel näher dran, dagegen zusammengerechnet nur rund 20 Milliarden.
"Sie denken, wir sind ein Haufen Idioten"
Soll heißen: Würde Donald Trump im Januar 2025 ins Weiße Haus einziehen, müssten sich Berlin, Paris, Rom, London & Co auf massivste Mehrforderungen Washingtons einstellen. Europa lache Amerika aus, behauptet Trump. "Sie denken, wir sind ein Haufen Idioten." Trumps ehemaliger Rivale im Rennen um die Präsidentschaft 2016, Chris Christie, zog aus den Äußerungen den Schluss, dass die Ukraine Putin zugeschlagen würde, wenn Trump noch mal ins Amt käme.
Schuldenobergrenze
Hellhörig machten auch seine Äußerungen zum drängendsten innenpolitischen Problem - dem Streit über die Anhebung der staatlichen Schuldenobergrenze, der bis Ende Mai gelöst werden muss.
Trump forderte die republikanischen Entscheidungsträger im Kongress offen dazu auf, die USA in den Staatsbankrott abrutschen zu lassen, wenn Präsident Biden und die Demokraten nicht zu "massiven Ausgabenkürzungen" bereit seien, etwa bei Subventionen für umweltfreundliche Technologien. Dass ein solcher "default", je nach Dauer, nach Überzeugung von Wall Street und Wirtschaft eine Rezession, Arbeitsplatzverluste in Millionenhöhe und global verheerende Konsequenzen hätte, scheint Trump gleichgültig zu sein.
Kopfschütteln löste Trump auch im Kontext des Streit-Themas Abtreibung mit der als Lüge enttarnten Behauptung aus, die Demokraten befürworteten Regelungen bei Schwangerschaftsabbrüchen, die das Töten von Embryos im neunten Monat oder sogar nach der Geburt ermöglichten.
In sozialen Medien wurden die CNN-Verantwortlichen brutal angegriffen. Donald Trump eine so prominente Bühne zu bieten und kein Mittel gegen sein permanentes Lügen-Feuerwerk zu besitzen, sei ein "unentschuldbarer Offenbarungseid".
"Wahres Blutbad"
Andere Stimmen stellten heraus, dass sich Trumps Mitbewerber/-innen für das Präsidentschaftsticket in den anstehenden Fernsehdebatten auf ein "wahres Blutbad" einstellen können. "Donald Trump macht keine Gefangenen."
Selbst bei der Gretchenfrage blieben keine Zweifel. Werden Sie, im Fall ihrer Nominierung, 2024 das Ergebnis der Präsidentschaftswahl akzeptieren; wollte Kaitlan Collins am Ende wissen. Ja, sagte Trump und lieferte die entscheidende Bedingung hinterher: "Wenn ich denke, dass es eine ehrliche Wahl war."
Amtsinhaber Joe Biden reagierte auf Twitter auf den Auftritt seines potenziellen Gegenspielers so: "Es ist einfach, Leute. Wollte ihr vier weitere Jahre davon?"
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