War das Urteil im Vergewaltigungsprozess der Anfang vom Ende Trumps?

Fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung des Opfers: Für jeden gewöhnlichen Politiker in Amerika wäre das der Moment, an dem Ambitionen beerdigt werden müssen und ein Rücktritt fällig wird.
Bei Donald Trump kann man sich da nicht sicher sein. Der Ex-Präsident will in zwei Jahren für die Republikaner wieder ins Weiße Haus einziehen. Schon nach der strafrechtlichen Anklage wegen vertuschter und falsch abgerechneter Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar Anfang April sanken Trumps Umfragewerte nicht. Im Gegenteil: Millionen Klein-Spender stimmten mit der Geldbörse ab und füllten ihm die Konten. Seine Strategie, alle Aktivitäten der Justiz gegen ihn als politisches Strafkommando der Demokraten erscheinen zu lassen, ging bisher auf.
Der Ausgang des Prozesses, den die Autorin E. J. Carroll durchgefochten hat und der Trump zum ersten Mal tatsächlich für Missetaten zur Verantwortung zieht, wird diese Konstellation ad hoc nicht fundamental ändern. Aber die nächsten Wochen werden zeigen, ob der Ex-Präsident weiter den Rückhalt von Millionen hat. Und ob sich das republikanische Establishment weiter auf die Zunge beißt.
Republikanische Mandatsträger wissen intuitiv seit Langem, dass man mit Trump nicht mehr gewinnen kann. Abseits seines überraschenden Sieges 2016 gegen Hillary Clinton ist der Name Trump bis heute fast durchgängig mit Niederlagen für die „Grand Old Party“ verbunden. Erste Indizien für einen Trump-Blues in Richtung der Wahlen 2024 gibt es.
John Cornyn, konservativer Senator aus Texas, sagt: „Ich glaube nicht, dass Trump gewählt würde.“ Bob Good, rechtsextremer Kongress-Abgeordneter aus Virginia und bis dato treuer Trump-Anhänger, hat sich nach dem Urteil im Fall E. J. Carroll für Florida-Gouverneur Ron DeSantis als Präsidentschaftskandidat ausgesprochen. Asa Hutchinson, Ex-Gouverneurin und wie Trump Präsidentschaftskandidat, sieht im Urteil der Geschworenen „ein weiteres Beispiel für unverzeihliches Benehmen von Donald Trump“.
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Die nächsten Verfahren
Weitere Verfahren – seine Rolle beim Sturm aufs Kapitol, seine Versuche, die Wahlergebnisse von 2020 in Georgia zu seinen Gunsten frisieren zu lassen und der Diebstahl von sensiblen Staatsgeheimnissen – könnten in den nächsten Monaten eine so kritische Masse ergeben, dass Trump als zu toxisch erscheint, um weiter Kandidat für das höchste Staatsamt zu bleiben.
Alle Trump-Widersacher im Rennen um die Kandidatur müssen sich nun bis zu den Vorwahlen von Trump inhaltlich und stilistisch abgrenzen – ohne dabei dessen Wähler vor den Kopf zu stoßen.
Das Urteil von New York weist weit über Trump hinaus. Mit E. J. Carroll hat eine Frau Jahrzehnte nach erlittenem Übergriff so etwas wie eine partielle Wiedergutmachung erfahren. Der Autorin ging es nie ums Geld. Dass Trump sie als Lügnerin abkanzelte, war für die 79-Jährige wie ein zweiter Missbrauch. Ihr Erfolg ist ein Zeichen der Hoffnung für viele Leidensgenossinnen, denen nicht geglaubt wurde. Einem Berufungsverfahren, wie Trump es ankündigte, werden kaum Chancen eingeräumt.
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