Serbien-Wahl: Vučićs Partei könnte bald ohne Opposition regieren
Wer die Wahl am Sonntag gewinnen wird, ist bereits seit Wochen bekannt. Nämlich Aleksandar Vučić. Dabei steht der Name des Präsidenten eigentlich gar nicht auf den Wahlzetteln. Doch das ist in diesem Fall vollkommen egal.
Serbien wählt seine Parlamentarier sowie die Volksvertreter in den Regional- und Lokalvertretungen. Und obwohl Vučić selbst nicht antritt, ist der Wahlkampf seiner SNS mit Spitzenkandidatin Ana Brnabić – immerhin Premierministerin – zu 100 Prozent auf den Präsidenten abgestimmt.
Dass Vučić die öffentliche Meinung so dominieren kann, und dass Oppositionsparteien neben seinem Scheinwerferlicht so gar keine Bühne haben, verdankt er der Arbeit seiner Partei in den vergangenen Jahren. Laut der NGO „Freedom House“ könne man Serbien nicht mehr als Demokratie bezeichnen. Die Organisation führt das Land mittlerweile als „hybrides System“.
Parlamentswahl verschoben
Die Wahl war für 26. April geplant, wurde aber wegen der Corona-Bestimmungen auf 21. Juni verschoben. Serbien hat momentan 847 Covid-19-Infizierte.
Dauergast an der Macht
Die rechtskonservative, nationalistische Serbische Fortschrittspartei SNS dürfte rund 58 % der Stimmen erringen. 2016 waren es 41 %.
Zwar wurde die Hürde von 5 auf 3 Prozent herabgesetzt, doch außer den regierenden SNS und SPS (Sozialistische Partei von Außenminister Ivica Dačić) wird wohl kaum jemand mehr als 5 Prozent erreichen.
Die SNS regiert seit 2012. Vučić war Verteidigungsminister (2012–2013), Vizepremier (2012–2014), Premier (2014–2017) und Präsident (seit 2017).
Schon vor 2000, in der Zeit der Präsidentschaft Slobodan Miloševićs, hatte Vučić Regierungsämter inne. Als Informationsminister führte Vučić etwa 1998 Strafgelder für kritische Journalisten ein und verbot die Auslandspresse.
Volle Kontrolle
Denn in den vergangenen acht Jahren hat der frühere Ultranationalist, spätere Verteidigungs- und Premierminister die Macht um sich zementiert. Und zwar vor allem mithilfe der serbischen Medien, die mittlerweile mehrheitlich als präsidententreu gelten. Vučić erscheint täglich in mehreren von seinen Mitstreitern kontrollierten TV-Sendern, öffentlich und privat. Die Zeitungen warnen vor neuen Bedrohungen, vor denen nur der Präsident die Serben beschützen könne. Und selbstverständlich eignen sich befreundete Medien auch für Diffamierungskampagnen gegen politische Gegner.
Hinzu komme noch ein aufgeblähter Beamtenapparat, in dem viele Personen einen Job gefunden haben, deren Familien der Präsidentenpartei einen Gefallen in Form eines Kreuzerls in der Urne schulden, erinnerte der serbische Menschenrechtsanwalt Milan Antonijević auf einer Veranstaltung des Forum Journalismus und Medien kürzlich.
So läuft auch jetzt nach der Wahl alles in Richtung eines Quasi-Einparteiensystems, wie es beim neuen besten Freund China üblich ist. Wohl auch deshalb, weil die meisten Oppositionsparteien die Wahl boykottieren (auch die Bürgerbewegung „1 von 5 Millionen“, die 2019 fast jeden Samstag Massenproteste gegen Vučić organisiert hatte).
Andere – wie die einst starke Demokratische Partei (DS) – sind in den vergangenen Jahren in sich zusammengebrochen. Etliche Oppositionsparteien würden es auch ohne Boykott kaum in die Volksvertretung Skupština schaffen. Zwar wurde die Hürde von fünf auf drei Prozent herabgesetzt, doch das wird kaum helfen.
Dabei bräuchte man nicht nur eine neue Regierung, sondern eine neue Art des Regierens, sagt Antonijević. „Der gesamte Wahlkampf gab keinerlei Antworten der eigentlichen Probleme des Landes“: Kränkelndes Gesundheitssystem, Schulen, Korruption – das Übliche.
Lob aus Europa
„Lieber Präsident, Sie haben das volle Recht, stolz und zufrieden zu sein, was Sie für Serbien erreicht haben“, twitterte der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk kürzlich. „Wirtschaftlicher Erfolg“ und „starke Führung“ charakterisierten seine Amtszeit, so der EVP-Vorsitzende, der ähnliche Entwicklungen in Ungarn gleichzeitig gerne kritisiert. Und tatsächlich, alle wirtschaftlichen Errungenschaften der vergangenen Jahre kann sich Vučić auf die Fahnen heften. Auch die Corona-Krise ist – mitunter durch seine strengen Regeln – bisher relativ glimpflich verlaufen.
Serbien gilt – bei aller Erweiterungsmüdigkeit – als verhältnismäßig aussichtsreicher Kandidat auf dem Weg in die Europäische Union. Und das, obwohl Beobachter immer wieder vor einem schrittweisen Demokratieabbau warnen. „Es gibt in Serbien seit einigen Jahren einen ziemlichen Trend zum Ausbau autoritärer Herrschaft durch Vučić “, sagte Vedran Džihić vom Institut oiip im Gespräch mit der APA, in dem er auch auf ein „häufiges Augenzudrücken“ Wiens bei autoritären Tendenzen etwa in Serbien vorwirft.
Doch für die EU gibt es kaum eine Alternative zur Aufnahme Serbiens in die Gemeinschaft. Denn in der Coronavirus-Zeit wurde deutlich, dass schnell andere Player um das Einfallstor nach Europa werben, wenn Brüssel sich bitten lässt. Dass China und Russland enge Freunde sind, macht der serbische Präsident medial nur allzu gern deutlich.
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