Fast drei Monate sind vergangen, seit Karoline Edtstadler (Washington) und Alexander Schallenberg (Zagreb) im Ausland waren. Ungewöhnlich für eine Europaministerin und einen Außenminister, doch geschuldet der Corona-Krise. „Es fühlt sich gut an, Sie persönlich zu treffen“, sagt Edtstadler zum albanischen Außenminister Gent Cakaj nach einer Begrüßung mit den Ellenbogen am Flughafen von Tirana, wo die beiden österreichischen Regierungsmitglieder heute - ebenso wie in Belgrad und Prishtina - symbolisch Kisten mit Schutzkleidung übergaben.
Mit Entwicklungshilfe-Geldern von der ADA (Austrian Development Agency), abgewickelt vom lokalen Roten Kreuz, hilft Österreich den Westbalkan-Staaten in der Covid-Krise. 1,25 Millionen Euro wurden insgesamt für die sechs Staaten (Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien, Kosovo) bereitgestellt. Davon wurden Schutzkleidung, Stethoskope, Oxymeter zur Sauerstoff-Messung, kontaktlose Fieberthermometer und andere medizinische Güter besorgt, die die Gesundheitssysteme entlasten sollen. In Österreich wurde bereits ein Intensivpatient aus Montenegro behandelt.
Die Hilfe aus Europa – das war in der Region, insbesondere in Serbien, ein heikles Thema. „Die europäische Solidarität gibt es nicht“, hatte sich Präsident Aleksandar Vučić mitten in der Krise beklagt – und Hilfe aus China geholt. Und das auch noch öffentlichkeitswirksam: Von Plakaten lachte der chinesische Staatspräsident, auf serbisch stand darunter „Danke, Bruder Xi“, die Show gipfelte darin, dass Vučić bei Ankunft der Delegation aus Peking am Belgrader Flughafen die chinesische Flagge küsste.
Dass wenig später von der EU wesentlich mehr Unterstützung kam, ging medial unter. 3,3 Milliarden Euro wurden mobilisiert, um den sechs Westbalkan-Staaten im Kampf gegen die Corona-Pandemie beizustehen.
Ob die Hilfe aus Europa und Österreich nun ebenso in Erinnerung bleiben wird wie jene aus Peking? „Für uns zählt jede Art der Unterstützung“, sagt Außenminister Ivica Dacić. Viele der Güter, die China gebracht habe, seien zunächst in Europa nicht erhältlich gewesen. Auch wegen der Exportstopps.„China ist unser Freund, aber unser Weg geht in die EU.“ Die Pandemie sei keine Zeit für geopolitische Einflussspiele, sagt Europaministerin Jadranka Joksimović. Die Diskussion sei längst überholt, in Serbien wisse jeder, wie sehr die EU hilft.
„Das können wir auch“
Auch deshalb sei es so wichtig, dass man persönlich kommt, glauben Schallenberg und Edtstadler. „Wir wollen den Nachbarn zeigen, dass wir da sind. Masken-Diplomatie können wir auch“, sagt der Außenminister.
Die Reise macht auch deutlich, dass bei geschlossenen Grenzen und in Eigenverantwortung der Regierungen in den verschiedenen Ländern die Vorsichtsmaßnahmen unterschiedlich gehandhabt werden. Während der albanische Außenminister auf die Begrüßung per Ellenbogen bestand, trugen in Tirana nur die österreichischen Minister Masken. Im Kosovo hatten die Minister Glauk Konjufca und Blerim Reka ebenso Maske und Handschuhe an wie in Serbien Europaministerin Jadranka Joksimović. Der serbische Außenminister Dačić blieb oben ohne. Aber zumindest verzichtete er auf eine Umarmung, für die der serbische Langzeitminister inzwischen weltbekannt ist. „Ivica schafft immer einen warmen Empfang, auch wenn heute Umarmungen vermieden werden“, scherzt Schallenberg – mit Maske.
Serbien: Mit strengen Ausgangssperren und einem international kritisierten Notstand hat Serbien die Zahlen niedrig gehalten: 11.300 Infizierte, 241 Tote.
Albanien: Auch Albanien hat auf strenge Ausgangssperren und dazu eine verpflichtende Handy-App gesetzt: Offiziell nur 1.076 Infizierte und 33 Tote.
Kosovo: Im Kosovo kam zur Epidemie noch eine Regierungskrise. Trotzdem sind es offiziell nur 1.048 Infizierte und 30 Tote.
Maskenpflicht besteht in vielen Ländern der Region nicht – auch nicht in Serbien. Dacić leistete sich mit seinem Auftritt also keinen Fauxpas. „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben und nicht unser gesamtes Leben in Quarantäne zu verbringen“, spricht er so manchem Bürger aus dem Herzen.
Das ist natürlich kein Zufall. Serbien befindet sich mitten im Wahlkampf, die für April geplante Wahl wurde wegen der Coronavirus-Pandemie auf Juni verschoben, Premier Aleksandar Vučić befindet sich auf bestem Wege zu gewinnen. „Vor den Wahlen heißt es ohnehin für alle ’Maske ablegen’“, greift Außenminister Dacić tief in die Bilder-Kiste.
Reisezeit eröffnet?
Nach der ersten Auslandsreise der Minister bleibt ein Thema im Raum. Nämlich wann man wieder aus der Region nach Österreich fahren kann, und umgekehert. „Uns ist bewusst, dass Beschränkungen der Reisefreiheit viele Familien auch in Serbien und Österreich auseinander gerissen haben“, sagt Schallenberg mit Hinweis auf die vielen serbischstämmigen Menschen etwa in Wien. Die österreichische Regierung wolle die Reisefreiheit wieder herstellen, „sobald das möglich und vertretbar“ ist.
Kommentare