Mit Kochtöpfen und Pfiffen von Balkonen: In Serbien formiert sich Protest

Mit Kochtöpfen und Pfiffen von Balkonen: In Serbien formiert sich Protest
Nach allabendlichem Applaus für medizinisches Personal wächst der Unmut.

In Serbien wächst die Unzufriedenheit über die von der Regierung beschlossenen strengen Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronakrise, vor allem über die an Wochenenden geltenden totalen Ausgangssperren. Nachdem seitens der Behörden angekündigt worden war, dass die Ausgangssperre am kommenden Wochenende wegen des 1. Mai schon am Donnerstagnachmittag beginnen soll, machen einige Serben ihrem Unmut lautstark Luft.

Im Rahmen der Aktion "Erhebe die Stimme: Mit Lärm gegen die Diktatur", die von einer regierungskritischen Gruppe organisiert wurde, gehen seit Sonntagabend unzufriedene Bürger abends auf ihre Balkone und lärmen gegen die Maßnahmen. Es geht aber auch um die Missstände im serbischen Gesundheitswesen.

Getrommelt wurde etwa am Sonntag und Montag nicht nur auf Töpfen, zu hören waren auch Trillerpfeifen und Sprechchöre. Von einzelnen Balkonen flogen auch Knallkörper, wie lokale Medien berichteten.

Die Aktion fand in der Hauptstadt Belgrad, aber auch in einigen anderen Städten statt. Sie folgte auf den allabendlichen Applaus um 20.00 Uhr für das medizinische Personal.

Ältere dürfen erst nach 18 Uhr raus

In Serbien gilt derzeit eine Ausgangssperre von 18.00 Uhr bis 5.00 Uhr morgens. Die über 65-Jährigen, für die zunächst wochenlang eine komplette Ausgangssperre galt, durften in der vergangenen Woche zum ersten Mal an drei Tagen ihre Wohnungen für eine halbe Stunde verlassen. Seit dem gestrigen Montag ist es ihnen erlaubt, täglich eine Stunde spazieren zu gehen, allerdings erst während der Ausgangssperre, also nach 18 Uhr - wenn auch alle Lebensmittelgeschäfte und Apotheken geschlossen sind.

Ebenfalls seit Montag sind Friseur- und Schönheitssalons, Fitnesszentren sowie Gemüsemärkte in geschlossenen Räumen wieder geöffnet. Demnächst soll der öffentliche Verkehr wieder aufgenommen werden, für die Tage nach dem 1. Mai wurde auch die Wiedereröffnung des Belgrader Flughafens angekündigt. Die Restaurants sollen ab Mitte Mai aufsperren dürfen.

Das Parlament, das am Dienstag nach eineinhalbmonatiger Pause erneut zusammengekommen ist, soll die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie, darunter auch die Ausrufung des Ausnahmezustandes, bestätigen. Die regierungskritische Opposition, die seit praktisch zwei Jahren die Parlamentsarbeit boykottiert, ist der Sitzung mehrheitlich ferngeblieben.

Spekulation um Wahlen nach Ausnahmezustand

Unterdessen wird darüber spekuliert, dass die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vucic darum bemüht ist, die aufgrund der Coronakrise verschobenen Parlamentswahlen gleich nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes abzuhalten. Dafür würde auch eine in der Vorwoche veröffentlichte Meinungsumfrage sprechen, die für den SNS-Chef Vucic besonders günstig ausgefallen war. Bei der Umfrage von Ipsos Strategic Marketing, die vom 14. bis zum 24. März und erneut am 5. April durchgeführt wurde, hatte Vucic demnach 61 Prozent Zustimmung erhalten, um 17 Prozent mehr als vor der Coronavirus-Epidemie. Die regierungskritische Opposition will den Urnengang boykottieren.

Kommentare