Serbien trifft Kosovo in Brüssel: Wie geht es weiter?
Der kosovarische Ministerpräsidenten Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sind zu einem Vermittlungsgespräch nach Brüssel eingeladen. Was man sich davon erwarten kann.
Gute Nachbarschaft ist auf dem Westbalkan eine rare Sache. Der größte Unruhestifter ist dabei Serbien: Von alten Seiten werde man bedroht, aus dem Westen, aus Bosnien-Herzegowina, Montenegro, schallt es beinahe täglich aus den regierungsnahen Boulevardblätter. Die größte Gefahr gäbe es aber aus dem Kosovo: Dort würde "ein Massaker vorbereitet", titelte das Boulevardblatt Informer vor wenigen Tagen. Laut Večernje novosti planten etwa Scharfschützen, die führenden Politiker der serbischen Minderheit auszuschalten.
Vor wenigen Wochen wirkte eine Eskalation des Nachbarschaftsstreits plötzlich besonders real: Militante Serben errichteten an der Grenze Barrikaden und blockierten Straßen. Grund für die Ausschreitungen war eine neue Einreiseregelung für alle Serben in den Kosovo: An den Grenzübergängen würden serbische Personaldokumente künftig nicht mehr anerkannt. Stattdessen sollten sich Serben dort ein provisorisches Dokument ausstellen lassen. Selbiges müssen Kosovaren übrigens bereits machen, wenn sie die Grenze nach Serbien überqueren.
Die EU vermittelt
Die Polizei schritt ein, es wurden Schüsse abgegeben. Der Kosovo erklärte sich auf Bitten des EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der USA bereit, die Einreiseregeln um einen Monat zu verschieben. Seitdem hat sich die Lage – vorübergehend – wieder beruhigt.
Heute Donnerstag empfängt Borrell den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić zu einem Vermittlungsgespräch in Brüssel. Seit elf Jahren versucht die EU zwischen den beiden zu vermitteln – bisher sehr dürftig. Internationale Beobachter stellen sich angesichts des Treffens dieselbe Frage, die mit Blick auf die Region schon seit Jahren unbeantwortet ist: Wie geht es weiter?
Der allgemeine Konsens bei Politikwissenschaftlern ist bekannt: Die EU hat in der Vergangenheit zu wenig getan. "Es ist höchste Zeit, dass Brüssel auf dem Balkan richtig anpackt", forderte der Balkan-Experte Vedran Džihić zuletzt einmal mehr in einem Standard-Kommentar.
Davor muss sich die EU aber erst mal selbst an der Nase nehmen: Immerhin gibt es nach wie vor fünf EU-Mitgliedsländer, die den Kosovo ebenfalls nicht anerkennen: nämlich Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und die Republik Zypern – Experten vermuten, aus Angst, dass es auch in ihren Ländern zu Abspaltungen kommen könnte. Für Politologen wie Džihić ist die Anerkennung aller EU-Staaten des Kosovo der erste Schritt, der gemacht werden muss – neben einer Visaliberalisierung des Kosovo.
Druckmittel
Doch irgendein Druckmittel gegenüber Serbien wird es wohl brauchen, denn Serbien mit seinem Ost-West-Schlingerkurs zwischen der EU und Russland selbst wird wohl kaum freiwillig von seiner Position abrücken: Immer wieder lässt Vučić lautstark verkünden, er werde niemals eine Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo unterschreiben.
Die deutsche Politikwissenschaftlerin Norma Tiedemann begründet das auch mit dem innenpolitischen Machterhalt Vučićs: Auch wenn der russlandfreundliche Nationalist die Präsidentschaftswahl in Serbien Anfang April mit 60 Prozent gewann, brachte die gleichzeitig stattfindende Parlamentswahl besonders viel Stimmen für die noch ultranationalistischeren und rechtsradikaleren Parteien, die Vučićs SNS regelmäßig als "zu pro-westlich" oder gar als "neokoloniale Marionettenregierung" kritisieren.
"Die serbische Regierung wird daher wohl kaum ihren außenpolitischen Kurs ändern, denn aus ihrer Perspektive war dieser erfolgreich und half ihr beim Machterhalt", schreibt Tiedemann in der Fachzeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik.
Die fast ausschließlich von Albanern bewohnte, ehemalige serbische Provinz Kosovo hat sich 2008 nach dem Krieg 1998/99 und Jahren unter UNO-Verwaltung für unabhängig erklärt. 117 Länder erkannten die Unabhängigkeit des Kosovo an. Andere, darunter Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder, Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und die Republik Zypern, tun das bis heute.
Die EU hat dem Land nach seiner Unabhängigkeitserklärung die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union in Aussicht gestellt. Seit 2011 führen Kosovo und Serbien in Brüssel einen von der EU moderierten Dialog. Serbien ist seit 2012 Beitrittskandidat.
Zwar hätte die EU den Geldfluss als Druckmittel – 70 Prozent des Gesamtvolumens ausländischer Investitionen kommen aus der EU – doch bei einem Ausbleiben wüsste sich Serbien wohl oder übel zu helfen: Russland und China investieren seit Jahren in das Land, ohne Bedingungen wie Rechtsstaatlichkeit oder nachbarschaftliche Anerkennung zu stellen. Mittlerweile sehen die Serben China und Russland als wichtigere Verbündete als die EU.
Achtung, Bumerang!
Die Europäische Union muss sich "sehr gut überlegen, wie sehr sie eine Entscheidung forcieren kann. Denn wachsender Druck von ihrer Seite könnte zu zunehmender Skepsis führen – und sich schlussendlich als Bumerang erweisen", schreibt Tiedemann.
Es bleibt eine Zwickmühle, in der sich die EU befindet. Und die Erwartungen an den heutigen Vermittlungsversuch niedrig.
Kommentare