Wie sich ultrarechte Serben Tipps von Russland holen
"Rechtsextremismus auf dem Westbalkan". So lautet der Name eines Dokuments, das unter der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft erarbeitet wurde. Darin wird eine Diskussion über die Wirksamkeit der Verbote vorgeschlagen, mit denen Rechtsextremisten auf dem Westbalkan belegt werden sollen. Laut dem Dokument nimmt der lokale Extremismus auf dem Westbalkan verschiedene Formen an: von radikalen Fußballfans bis zu extremen Anhängern verschiedener panslawischer, nationalistischer oder anderer radikaler Bewegungen.
In dem Papier steht weiter, dass der Krieg in der Ukraine spürbare Auswirkungen auf den Westbalkan hat und von lokalen rechtsextremen Gruppen sehr stark wahrgenommen wird. Wie stark, dem geht eine Recherche des unabhängigen Rundfunkveranstalters Radio Free Europe/Radio Liberty nach. Der Gegenstand der Untersuchung waren die Verbindungen der ultrarechten Organisationen in Serbien mit Gleichgesinnten in Russland, die seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine gestärkt worden seien. So etwa durch serbische Besuche in Russland.
Laut Radio Free Europe gäbe es noch keine Indizien dafür, dass die zuständigen Behörden in Serbien den Schmusekurs serbischer und russischer Extremisten für eine potenzielle Bedrohung halten.
Parallelen zwischen Serbien und Russland
Die Rechtsextremisten selbst machen keinen Hehl aus ihren Verbindungen. So veröffentlichte "Srbska akcija" ("Serbische Aktion"), eine nicht registrierte klerofaschistische Organisation, Anfang Mai ein 18-minütiges Video über ihren Besuch bei der "Imperskij Legion" ("Reichslegion"), einer in St. Petersburg gegründeten ultranationalistischen Organisation, die Rechtsextremisten und Neonazis rekrutiert und sie in paramilitärischen Lagern für Kampfhandlungen trainiert. Einige ihrer Mitglieder befinden sich seit 2014 an der ostukrainischen Front, wo sie für "die Vereinigung des russischen Volkes zu einem einzigen Staat" kämpfen.
In dem Video ist der paramilitärische Leiter der Gruppe, Denis Gariew, zu sehen, wie er zwei Abgesandte der "Srbska akcija" durch die Räume seiner Organisation führt, ihnen die Schießanlage, das Munitionslager sowie den Schulungsraum zeigt. In dem Video erklärt Gariew seinen Besuchern die Ideologie seiner Organisation, die das State Departement 2020 für eine "globale terroristische Bedrohung" erklärt hat - und zieht eine Parallele zu Serbien.
"Das, was in der Ukraine passiert, ist aus unserer Sicht ein Bürgerkrieg innerhalb Russlands. Wir sind wie die Serben verpflichtet, unser Volk in einem einzigen Staat zu vereinen, der leider zerbrochen ist", sagt Gariew und spielt auf die Idee von "Großserbien", der zahlreiche ultrarechte Parteien und Bewegungen in Serbien seit Anfang der neunziger Jahre nachgehen, an.
Anschließend zeigt er den Gästen den Schulungsraum, in dem ein Dutzend junger Männer ihre Gewehre putzen, und in dem ein eingerahmtes Foto von Ratko Mladić zu sehen ist. "Ihr wisst alle, wer das ist", sagt er stolz unter dem Antlitz des ehemaligen Befehlshabers der bosnischen Serben, der wegen des Völkermordes in Srebrenica und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Krieges in Bosnien und Herzegowina rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Radikalisierung
Der Besuch der "Srbska akcija" in Russland sei besorgniserregend, sagt der kanadische Journalist und Buchautor Michael Colborne im Gespräch mit Radio Free Europe. "Ich befürchte, dass dies im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine die Möglichkeit eröffnen könnte, dass Belgrad und Serbien zu einer Basis für bestimmte Mitglieder der internationalen extremen Rechten werden, insbesondere für diejenigen, die stark pro-russische Ansichten haben", glaubt Colborn, dessen Arbeit sich auf die extreme Rechte in Mittel- und Osteuropa konzentriert.
Die "Russische imperiale Bewegung" (RID), die Organisationen wie "Imperskij Legion" unter ihrer Obhut versammelt, habe in den vergangenen Jahren gute Beziehungen zu anderen rechtsextremen Organisationen in ganz Europa entwickelt. Laut einem Bericht des Forschungszentrums CISAC, das an der Stanford University internationale und nationale Sicherheits- und Kooperationsfragen untersucht, hätten 2016 zwei Mitglieder der sogenannten Nordischen Widerstandsbewegung an einem paramilitären Ausbildungsprogramm der RID teilgenommen. Kurze Zeit später verantworteten eben diese zwei Männer mehrere Bombenangriffe im schwedischen Göteborg. Beide wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, die schwedische Staatsanwaltschaft stellte fest, dass die RID an ihrer Radikalisierung maßgeblich beteiligt gewesen war.
Derartiges drohe auch Serbien, glaubt Colborne. Die Tatsache, dass "Srbska akcija" das Video auf YouTube geteilt und bis heute nicht heruntergenommen habe, zeuge laut ihm davon, dass man keine Angst vor eventuellen rechtlichen Konsequenzen habe. "Eines der schlimmsten Dinge, die ein Land tun kann, wenn es um die extreme Rechte geht, ist, das Problem zu ignorieren. Wenn man die extreme Rechte tun lässt, was sie will, ohne Rückschläge befürchten zu müssen, hilft man ihnen nur dabei, zu wachsen", glaubt Colborne.
Veranstalter von prorussischen Demos zu Gast in Moskau
Davon zeugt auch die Tatsache, dass Anfang Mai Damjan Knežević, der Anführer der informellen ultrarechten Gruppe "Narodna Patrola" ("Volkspatrouille") in Russland zu Besuch war. Knežević war einer der Organisatoren von mehreren Protesten zur Unterstützung Russlands, die nach Beginn der russischen Invasion in Belgrad stattfanden. Belgrad avancierte damit zu einer der wenigen europäischen Hauptstädte, in denen es prorussische Proteste gab.
Bei seinem Besuch in Moskau war Knežević Gast mehrerer Medien, darunter auch Russia Today (RT). Bei seinem Auftritt auf RT betonte er, dass "Serben und Russen Brüder sind" und dass gegen Russland eine Medienkampagne geführt werde, wie im Fall von Serbien in den 1990er Jahren. "Wir werden Russland weiterhin unterstützen, damit das russische Volk versteht, dass wir echte strategische Partner auf dem Balkan sind".
"Narodna Patrola" machte Anfang 2020 auf sich aufmerksam, als ein Video auf sozialen Netzwerken auftauchte. Darauf zu sehen sind ein Dutzend junger Männer, die im Zentrum Belgrads Migranten und Flüchtlinge malträtieren. Außerdem störten Mitglieder der Gruppe einige antifaschistischen Demos, die zum Ziel das Entfernen eines Murals von Ratko Mladić in der Belgrader Innenstadt hatten.
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