Gold, Trolle und Diamanten: Das Vermächtnis des Söldner-Führers

Pauken, Trompeten und militärische Ehren. Als Yunus-bek Yevkurow, stellvertretender Verteidigungsminister Russlands, am Dienstag aus seinem Flugzeug stieg und von Vertrauten des libyschen Generals Chalifa Haftar empfangen wurde, frohlockten russische Medien: Der erste Besuch einer russischen Militärdelegation in Libyen sei das, man habe die „Kooperation im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und andere gemeinsame Aktionen“ diskutiert. Russland ist seit Jahren mit Haftars „LNA“ (Libysche Nationale Armee) verbündet – für sie gekämpft haben aber bisher nur die Söldner der Wagner-Gruppe, die auch in anderen afrikanischen Staaten vertreten sind.
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Es kann Zufall sein, dass nur 24 Stunden später eine Embraer Legacy 600 in Russland abstürzte und sehr wahrscheinlich einige hochrangige Wagner-Männer mit sich in den Tod riss. Darunter jenen Mann, der exakt zwei Monate zuvor mit einem griesgrämigen Generaloberst Yevkurow in Rostow am Don gesessen war, nachdem er die Stadt eingenommen hatte: Jewgeni Prigoschin. Er hinterlässt ein Vermächtnis, das sich nicht nur auf die Kampfkraft seiner Söldner beschränkt, sondern auch ein gewaltiges Firmengeflecht.
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Milliardenaufträge
Da ist zum Beispiel das Unternehmen „Concord“, das sich auf Catering und andere Dienstleistungen spezialisiert: 2012 etwa erhielt die Concord-Gruppe einen Auftrag für mehr als 100 Millionen Euro zur Versorgung der Moskauer Schulen. Subunternehmen waren für die Versorgung der russischen Streitkräfte verantwortlich. Waren, denn direkt nach dem Aufstand vor zwei Monaten verlor Concord die staatlichen Aufträge.
Experten erwarten, dass die Firma nun mit Günstlingen Putins besetzt wird. Laut Forbes Russia erhielt Concord allein 2013 und 2014 sagenhafte 1,01 Milliarden Euro vom russischen Staat. Nach Prigoschins gescheitertem „Marsch auf Moskau“ rückte der einflussreiche russische Propagandist Dmitri Kisseljow aus und sprach davon, dass Prigoschin einen zweistelligen Milliardenbetrag durch Staatsaufträge erwirtschaftet habe.
Gold, Öl, Diamanten
Ein anderes Standbein von Prigoschins Imperium sind die Einnahmen durch den Abbau von Rohstoffen wie Gas, Diamanten, Öl und Gold in afrikanischen Staaten. Das Unternehmen „M-Invest“ machte es etwa möglich, dass das Gold, das Wagner im Sudan zum Dank für die Dienste der Söldner schürfen durfte, in großem Stil nach Russland gelangte. Lobaye Invest wiederum betreibt Gold- und Diamantenminen in der Zentralafrikanischen Republik. Zwischen 2018 und 2021 soll die Söldnergruppe durch ihre Afrika-Geschäfte rund 250 Millionen Euro erwirtschaftet haben.
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All das wurde durch Einsätze der Wagner-Gruppe im Dienste der Regierungen dieser Länder möglich. In Zentralafrika schlugen sie etwa Rebellenaufstände blutig nieder – und wurden mit einem Wagner-Denkmal und Schürfrechten belohnt. Dort oder in Staaten wie Mali und Burkina Faso dürfte es dem Kreml nicht schwer fallen, den Wagner-Einfluss aufrechtzuerhalten.
Es stellt sich aber noch die Frage nach der Führung der Söldner. Einerseits könnte diese durch einen neu eingesetzten Kommandanten gewährleistet werden. Risiko: Die mögliche mangelnde Loyalität gegenüber einem Mann von Putins Gnaden.
Oder aber die Kämpfer werden in die dem Verteidigungsministerium nahestehende Söldnerfirma „Redut“ eingegliedert. Ein Hinweis auf Letzteres könnte eben der Besuch Yunus-bek Yevkurows in Libyen sein.
„Storm-Z“-Truppen
Für den Krieg in der Ukraine hat Moskau bereits vor Prigoschins Aufstand einen Weg gefunden, nicht mehr auf die Wagner-Truppen angewiesen zu sein: die sogenannten „Storm-Z“. Dabei handelt es sich um Einheiten, die aus russischen Strafgefangenen bestehen – ganz nach dem Vorbild der Wagner-Truppen. Ende Juni verabschiedete die russische Duma ein Gesetz, das ebenjene Rekrutierung russischer Gefangener legalisiert. Der Zweck der „Storm-Z“-Truppen ist derselbe wie er es bei Wagner war: Als Kanonenfutter fungieren.
Und dann wäre da noch die „Internet Research Agency“ – die berüchtigte St. Petersburger Trollfabrik Prigoschins, die unter anderem bei der US-Wahl 2016 mitgemischt haben soll. Nach Prigoschins Aufstand wurde sie offiziell aufgelöst – aber es ist nicht anzunehmen, dass der Kreml auf dieses Potenzial verzichtet.
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