Wer ist der Mann, der Russlands Verteidigungsminister eliminieren will?
"Wir gehen noch weiter. Wir werden bis zum Ende gehen“, teilte Jewgeni Prigoschin mit, als er – nach eigener Aussage – mit seiner Söldnerarmee die Grenze nach Russland passierte und auf die russische Stadt Rostow am Don zumarschierte.
Monatelang hatte Prigoschin mit seiner Wagner-Gruppe die ukrainische Stadt Bachmut belagert und schließlich erobert. Es war der größte russische Erfolg seit Sommer vergangenen Jahres.
"Wir sind 25.000 Mann"
Stets war er im Zwist mit der russischen Militärführung – speziell mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu gelegen. Am Freitagabend dürfte er den Bogen überspannt haben – und zwar deutlich: „Das Böse, das von der militärischen Führung des Landes ausgeht, muss gestoppt werden", sagte Prigoschin in einer Reihe von Sprachaufnahmen. Minuten später deutete er an, dass seine Wagner-Söldnertruppe bereit sei, gegen das russische Verteidigungsministerium in die Offensive zu gehen: „Wir sind 25.000 Mann, und wir werden herausfinden, warum im Land Chaos herrscht.“
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Das sei kein Putsch, „dies ist ein Marsch für Gerechtigkeit", sagte er in einer weiteren Audiobotschaft auf Telegram.
In diesem Artikel erfahren Sie:
- Warum Prigoschin im Gefängnis saß
- Wie er in Putins engere Kreise kam
- Wo er Gold- und Diamantminen besitzt
Kurz nach Mitternacht Moskauer Zeit gab die russische Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass gegen Prigoschin wegen des Verdachts der Organisation einer bewaffneten Rebellion" ermittelt werde und ihm im Falle einer Verurteilung bis zu 20 Jahre Gefängnis drohten.
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Etwa zwei Stunden später meldete sich der Wagner-Führer erneut über Telegram und erklärte, dass sich seine Kämpfer der Stadt Rostow am Don näherten und fügte hinzu: „Wir gehen noch weiter. Wir werden bis zum Ende gehen."
Zu 13 Jahren Haft verurteilt
Ein Ende hätte es für den 62-Jährigen bereits ein paar Mal geben könne: Bereits mit 18 wurde der angehende Pharmazeut wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren auf Bewährung verurteilt. Laut russischen Medien verurteilte das Leningrader Volksbezirksgericht Zhdanovsky Prigoschin 1981 wegen Diebstahls, Betrugs, Verwicklung eines Minderjährigen in kriminelle Handlungen und Raubes zu 13 Jahren Gefängnis.
Sieben Jahre später wurde er begnadigt, begann, Hot Dogs zu verkaufen, arbeitete sich in der Gastronomie immer weiter hinauf, ehe er in St. Petersburg ein Luxusrestaurant betrieb. Dort lernte er Wladimir Putin kennen, den er höchstselbst bediente. Später brachte der Kremlherr sogar den damaligen US-Präsidenten George W. Bush in Prigoschins Restaurant mit. Lukrative Staatsaufträge folgten - für die Belieferung von Schulen, Kindergärten und schließlich der russischen Armee.
Nach dem russischen Einmarsch auf die Krim übernahm Prigoschin die Söldnergruppe Wagner von Ex-Geheimdienstoffizier Dmitri Utkin und baute sie zu einem international agierenden Unternehmen aus.
Oligarch Prigoschin wurde für die Entsendung der Söldner mit lukrativen Lizenzen belohnt – für Gold- und Diamantenminen in der Zentralafrikanischen Republik. Mindestens zwei Minen sollen seine Firmen dort besitzen. Auch in Mali ist Wagner stark vertreten.
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Und was hatte Putin davon? Überall, wo die russische Armee offiziell nicht kämpfen soll, rücken "Wagner"-Söldner aus – sichern verdeckt Territorien, wie es etwa 2014 auf der Krim geschah. Sie stärken indirekt Russlands politischen Einfluss, sichern Zugang zu Rohstoffen und Schürfrechten.
Während des Ukraine-Kriegs hatte Putin lange dabei zugesehen, wie Prigoschin seinen Erzfeind Schoigu attackierte. Auch bislang hat sich der russische Präsident nicht zu Wort gemeldet. Putin will seine verschiedenen Eliten nicht zu einig werden lassen – die russische Geschichte hat gezeigt, dass ein zu starkes Militär für die Führung gefährlich wird.
Doch mittlerweile sind Prigoschins Taten die größte Herausforderung für Putins Autorität in Russland seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine: Es herrscht Informationschaos im Land, ebenso Unsicherheit wegen all der begnadigten Ex-Gefangenen, die von Wagner unter Vertrag genommen worden waren und sich mittlerweile frei in Russland bewegen.
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