Polen und die Ukraine: Eine angespannte Freundschaft

Eine Umarmung zwischen Wolodimir Selenskij und Andrzej Duda wie hier gab es vergangene Woche in New York nicht - Selenskij sagte das geplante Treffen ab.
Warschau kündigte an, keine Rüstungsgüter mehr an Kiew zu liefern. Dabei galt Polen lange als der Anwalt der Ukraine - was ist passiert?

Die Ankündigung des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki ging um die Welt: „Wir liefern keine Rüstungsgüter mehr an die Ukraine, wir versorgen uns nun selbst mit den neuesten Waffen.“

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Dabei galt Polen lange als Anwalt der Ukraine: Große Bestände der eigenen Rüstung – etwa 320 Panzer aus der Sowjetzeit und 14 MiG-29-Kampfflugzeuge – wurden dem östlichen Nachbarn vermacht, westlichen Skeptikern lautstark die Leviten gelesen und zu mehr Beistand aufgefordert.

Hinter Morawieckis Ankündigung dürfte aber kein Seitenwechsel Polens stecken.

Dem polnischen Militär, das wie viele andere Länder der Ukraine vor allem alte Waffen weitergibt, die durch modernere aus dem Westen ersetzt werden, dürften einfach bald die Geräte zur Weitergabe ausgehen. Und vollständig eingestellt werden die Waffenexporte an die Ukraine nicht: Der polnische Hersteller PGZ soll in den kommenden Monaten etwa 60 Krab-Artilleriewaffen liefern.

Nichtsdestotrotz ist die Beziehung zwischen Warschau und Kiew aktuell angeschlagen. Verantwortlich dafür ist – gerade in Wahlkampfzeiten – der schon länger andauernde Streit um ukrainische Getreidelieferungen. „Wir können nicht zulassen, dass der polnische Markt destabilisiert wird“, sagte Morawiecki.

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Zusagen für Waffen- und Ausrüstungshilfen an Ukraine bis August 2023

Embargo auf Produkte

Polen sowie Ungarn und die Slowakei haben vergangene Woche angekündigt, ein Embargo auf fünf Agrarprodukte für ihren Markt verlängern zu wollen. Die EU-Kommission hatte den Einfuhrstopp für diese Länder zusammen mit Rumänien und Bulgarien von Anfang Juni bis Mitte September zugelassen.

Auf den Sonderweg Polens, Ungarns und der Slowakei reagierte Kiew mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation. Bratislava und Kiew haben sich am Donnerstag geeinigt.

Treffen in New York abgesagt

Aufgebracht hat die nationalkonservative Führung in Warschau auch der Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij bei den Vereinten Nationen. Dieser unterstellte den drei östlichen EU-Mitgliedern quasi eine Komplizenschaft mit dem Kreml. Das geplante Treffen mit Polens Staatspräsident Andrzej Duda in New York blies er kurzer Hand ab.

Diese Verstimmung wird wohl eine Zeit lang anhalten. Denn am 15. Oktober wird in Polen gewählt und die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hat laut Umfragen gute Chancen, zum dritten Mal in Folge zu gewinnen. Doch sie braucht voraussichtlich einen Koalitionspartner, wofür allein das Rechtsaußen-Bündnis „Konföderation“ infrage käme.

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Anti-Ukraine-Wahlkampf

Und diese feuert massiv gegen die pro-ukrainische Politik der Regierung: Ukrainer würden mehr Sozialhilfe als Polen bekommen, die polnischen Bauern stünden durch den billigen Weizen aus der Ukraine vor dem Bankrott. Zudem wird das Massaker ukrainischer Partisanen an der polnischen Landbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs instrumentalisiert, um Stimmung zu machen. „In der Konföderation sind einige Abgeordnete, die dem russischen Narrativ folgen“, so Miroslaw Skorka, Vorsitzender des Bundes der Ukrainer in Polen.

Polen und die Ukraine: Eine angespannte Freundschaft

Ministerpräsident Morawieckis Partei könnte nach den Wahlen im Oktober   Rechtsaußen-Unterstützung brauchen.

In Warschau hat man zudem zunehmend den Eindruck, dass die eigene Solidarität gegenüber der Ukraine – etwa die 1,5 Millionen Kriegsflüchtlinge, die Polen aufgenommen hat – in Kiew nicht ausreichend geschätzt wird. Die ukrainischen Flüchtlinge werden laut jüngsten Umfragen von knapp zwei Drittel der Polen weiterhin begrüßt.

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Beobachter gehen davon aus, dass die jüngste Anspannung zwischen Warschau und Kiew  nur vorübergehend sein könnte. Nach den Wahlen finden sich demnach in Polen vielleicht doch noch ein paar Waffen für die Ukraine.

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