"Diebe" da, ein "wahrer Feind" dort: Polens Wahlkampf läuft an
Die nationalkonservative Regierungspartei PiS muss starke Einbußen und Ex-Premier Donald Tusk fürchten.
26.07.23, 17:00
aus Warschau Jens Mattern
Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), setzt im Wahlkampf auf Aggression: Donald Tusk nennt er einen "wahren Feind Polens ... er soll zu seinen Deutschen gehen und dort Schaden anrichten."
Der Grund für die Attacken des 73-jährigen Nationalkonservativen: In den Umfragen für die Wahl im Herbst verliert die Partei, die seit 2015 regiert, und liegt nur noch knapp vor Tusks liberalkonservativer "Bürgerlicher Koalition" (KO) und, deutlich dahinter, der „Konföderation“, einer Allianz von antiukrainischen Nationalisten und Marktradikalen. Der 66-jährige Donald Tusk, 2007 bis 2014 Regierungschef an der Weichsel, gilt als Schreckensgestalt für die PiS, denn er kann Massen mobilisieren. Seit der Rückkehr des früheren Ratspräsidenten aus Brüssel im vergangenen Jahr schießen PiS-Politiker wie Staatsfernsehen gegen ihn. Sie sagen ihm eine Nähe zu Deutschland und Moskau nach.
Im Umgang mit dem Gegner ist auch Tusk kein Freund milder Rhetorik. "Wenn Du für die PiS stimmst, heißt das entweder, dass Du ihnen zu stehlen erlaubst, oder dass Du mit ihnen zusammen stehlen willst", sagte der Danziger bei einem Wahlkampfauftritt über die PiS-"Diebe". Tusk, der auch als Präsident der Europäischen Volksparteien (EVP) wirkte, will die umstrittenen Reformen des Rechtsstaats zurücknehmen und somit den Konflikt mit der EU-Kommission, die Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen anstrengt, beheben.
Kaczynski fürchtet um sein Lebenswerk – die Unterordnung der Justiz unter einen nationalkatholisch ausgerichteten Staat, die er in den kommenden vier Jahren "vollenden" will. Der Grund für seine schwachen Umfragewerte: Die hohe Inflation verschlechterte die Lebenslage vieler Polen, die Sozialversprechen der PiS ziehen nicht mehr wie früher.
Mit einem ganz anderen Botschaft richtet sich der Star der "Konföderierten", Slawomir Mentzen, ein junger Steuerberater, an die eher jungen Wähler – mehr Wohlstand durch weniger Steuern, der Staat störe nur. Wenn auch die PiS mit diesem Parteienbündnis für den Machterhalt vermutlich koalieren muss, so greift Kaczynski diese nun als "Kinder" und "Verrückte" an.
Aufgrund der Probleme mit der Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte, die die Preise in Polen drücken, hat sich der Nationalkonservative nun von den Solidaritätsadressen an die Ukraine verabschiedet. "Gegenüber der Ukraine werden wir eine Politik betreiben, welche die polnischen Interessen verteidigt", so Kaczynski, der sich in der Rhetorik der nationalistischen Konkurrenz anpasst.
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