Nicht nur der Geografie geschuldet, ist Polen für die USA "ein wichtiger strategischer Eckstein in Europa – war es zum Teil auch schon vor dem Krieg. Aber in der jetzigen geopolitischen Situation hat das Land neue geopolitische Relevanz für die Vereinigten Staaten", erklärt der Osteuropa-Experte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Verbindende Russland-Skepsis..
Lang nennt Polen ein "Logistikzentrum für jegliche Versorgung der Ukraine – zivil, humanitär und militärisch". Dazu kommt die traditionelle Russland-Skepsis Polens, die sich mit den Interessen der USA decke: "In Polen wurden amerikanische Präsidenten im Vergleich zu anderen europäischen Ländern immer von jubelnden Massen empfangen – selbst Donald Trump", so Lang.
Seit Beginn des Krieges ist Polen der wichtigste Anwalt der Ukraine in der EU: Mit mehr als 1,5 Millionen hat Polen die meisten ukrainischen Flüchtlinge aufgenommen; gemessen am BIP liefert kein Land in Europa mehr Waffen, ist nach Aussage des Vizeaußenministers sogar bereit, Kampfflugzeuge zu schicken. Ohne Polens Drängen wären wohl auch die EU-Sanktionen gegen Russland milder und langsamer ausgefallen. Auf fast vier Prozent des BIP sollen die Verteidigungsausgaben steigen, weit mehr als die NATO vorgibt. Mit den USA teilt man auch das Ziel der ständigen NATO-Präsenz im Osten. Andere Bündnispartner sind da wesentlich zurückhaltender.
"Hard Power" ist seit Kriegsausbruch wieder führungswichtig geworden: "In der Tat reklamieren jetzt einige Länder an der Ostflanke der NATO, dass sich das Machtzentrum auch in der EU verschiebt", so Lang. Polen habe immer Regionalmacht sein wollen, dafür aber brauche es mehr als militärische Stärke und Solidarität mit der Ukraine: Lang nennt es ein "positiv mitgestaltendes europapolitisches, zusammenhaltendes Narrativ". Das fehle.
.. aber im Clinsch mit Brüssel
Nach wie vor sind es Deutschland, Frankreich, Spanien und neuerdings immer deutlicher die Niederlande, die den europäischen Ton in der Politik angeben: sei es beim Klima, in der Erschließung neuer EU-Geldtöpfe und Subventionen, bei Handelsverträgen oder dem digitalen Wandel.
Auch der Rechtsstreit, den Brüssel nach wie vor mit Warschau führt, schwächt die Position Polens: Der Angriff der rechts-nationalistischen PiS-Regierung auf die Gewaltenteilung ist noch nicht gestoppt. Noch immer hält die EU deswegen 35 Milliarden Euro an Sonderhilfen für Polen zurück. Bitter für den größten Nettoempfänger in der EU – jährlich erhält Polen rund 12 Milliarden Euro mehr, als es an Brüssel einzahlt. Ein Grund mehr, warum sich die Macht der EU nicht in Richtung Osteuropa verschoben hat. Und so bleibt abseits des Ukraine-Krieges das Kraft- und Gravitationszentrum der EU, wo es bisher schon war: im Westen Europas.
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