Nach Massen-Demos: Wie es mit EU-Sorgenkind Polen weitergehen könnte

Nach Massen-Demos: Wie es mit EU-Sorgenkind Polen weitergehen könnte
Warschau verlor am Montag erneut einen Rechtsstreit mit der EU. Bei der Wahl im Herbst zeichnet sich die Wiederholung eines Duells ab.

Das Datum war kein Zufall: Als am Sonntag Hunderttausende Polen in Warschau gegen die rechtsnationalistische Regierung auf die Straßen gingen, taten sie das am 34. Jahrestag der ersten freien Wahlen im Land. Sie hatten damals den Sturz des Kommunismus in Europa erheblich beschleunigt. Selbst andere Oppositionsparteien, die eigentlich nicht kommen wollten, stellten sich im Zeichen der Geschlossenheit hinter Donald Tusks pro-europäische Bürgerplattform (PO) – neben der Regierungspartei PiS die größte politische Kraft.

Es waren die massivsten Proteste, die Parteichef Jarosław Kaczyński jemals gegen die PiS erlebt hat. Laut dem Experten Kai-Olaf Lang von der Deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik war der Sonntag zweifellos ein großer Erfolg für Tusk und seine PO. In den letzten Jahren habe die Opposition keine so großen Massen mobilisieren können, weil es bei der Regierungskritik vor allem um Eingriffe in die Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung gegangen war: „Themen, die von den Menschen weit weg sind.“

Diesmal demonstrierten diese aber „gegen das teure Leben, Betrug und Lügen sowie für die Demokratie, freie Wahlen und die EU“, erklärten die Organisatoren. Dass so viele gekommen sind, lag jedoch vor allem an einem Gesetz für eine neue Kommission.

Umstrittenes Gesetz

Diese soll Russlands Einfluss auf die polnische Politik in den vergangenen 15 Jahren untersuchen. Man hat Angst, dass das Gesetz sich aber vielmehr gegen aus Regierungssicht unliebsame Oppositionelle – allen voran Tusk – richten könnte. Neben der EU haben die USA, ein wichtiger Verbündeter Polens, Warschau dafür bereits gerügt.

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Was die polnische Bevölkerung daran so bewegt? „Es geht jetzt um Innenpolitik und die Frage nach der politischen Zukunft Polens“, sagt Lang. Im Herbst stehen Parlamentswahlen an. Mit Kaczyński und Tusk dürften sich dann zwei ehemalige Gegner gegenüberstehen. Tusk war von 2014 bis 2019 EU-Ratspräsident, nun ist er wieder zurück in der heimischen Politik.

Gewänne er die Wahlen, würde das die Beziehung zur EU erheblich verbessern, so Lang. Einen dürfe man aber nicht vergessen: „Der nationalkonservative Andrzej Duda wäre dann noch immer Präsident.“ Über ihn könnte die PiS weiterhin viel Einfluss üben und einer möglichen Tusk-Regierung das Leben schwer machen.

Justizreform verstößt gegen EU-Recht

Erst am Montag wurde Polen zum wiederholten Mal vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verurteilt. Demnach verstoßen Bestimmungen der polnischen Justizreform von 2019 gegen EU-Recht. Bereits seit 2021 hält Brüssel im Streit um die polnische Rechtsstaatlichkeit hohe Geldsummen für Warschau zurück.

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Ob die Opposition die anstehende Wahl gewinnen kann, ist noch schwer zu sagen. Kaczyński nutzt laut Lang den Regierungsvorteil der PiS: „Die PiS gibt die Themen vor. Wenn sie etwa das Kindergeld erhöht, kann die Opposition wenig dagegen sagen.“ Kaczyńskis Partei würde bei einem erneuten Sieg nach innen wie nach außen „mit breiter Brust“ und in ihren Positionen gefestigt auftreten. Die PiS sei zudem gut im Wahlkämpfen, Lang erwartet einige Überraschungen: „Da wird noch viel Wasser die Weichsel runterfließen.“

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