Visa für Schmiergeld? Polnische Regierungspartei in Bedrängnis

PiS-Vorsitzender Jaroslaw Kaczynsk während des Parteitags in Konskie
Wenige Wochen vor der Wahl gefährdet ein Visa-Skandal die Glaubwürdigkeit der nationalkonservativen Regierungspartei PiS bei einem ihrer Kernthemen - dem Kampf gegen illegale Migration.

Polens nationalkonservative Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) wirbt im Wahlkampf mit ihrer harten Haltung gegen Migranten. So warnte Regierungschef Mateusz Morawiecki kürzlich etwa vor "Banden junger muslimischer Migranten" in Frankreich, Deutschland und Schweden, die "den Frauen die Hölle bereiten". Man könne dort vielerorts nicht mehr im Dunkeln auf die Straße gehen. 

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Seit einigen Tagen bringt nun ausgerechnet eine Affäre um mutmaßliche Korruption bei der Visavergabe an Migranten die Partei in Bedrängnis - knapp einen Monat vor der Parlamentswahl am 15. Oktober. Dabei geht es um die Frage, ob massenweise Arbeitsvisa für Bürger afrikanischer und asiatischer Länder ausgestellt wurden - und ob dies schneller ging, wenn die Antragsteller über Vermittler saftige Schmiergelder zahlten.

5.000 Euro für ein Visum

Über 2,5 Jahre soll das Außenministerium ein solches Geschäft betrieben haben, bis zu 5.000 Dollar pro Kopf seien gezahlt worden, so Recherchen der Zeitung Gazeta Wyborcza. 

Die liberale Europapartei Renew Europe hat jetzt eine Dringlichkeitssitzung im Parlament in Straßburg zu dem „beispiellosen Korruptionsfall“ gefordert.

Michal Szerba und Dariusz Jonski, zwei Politiker des oppositionellen Parteienbündnisses „Bürger-Koalition“ (KO), welche Einsichten in Unterlagen haben, behaupten, dass Außenminister Zbigniew Rau über die Praktiken informiert gewesen sei. Ein entsprechendes Dokument wurde von ihnen im Netz publiziert. Die beiden KO-Politiker verweisen auf 350.000 solcher Fälle.

"Kaskade an Fake-News"

„Eine Kaskade an Fake-News“ seien die Berichte über die Visa-Affäre, so Polens Außenminister Zbigniew Rau, der sich nach ein paar Tagen des Schweigens Anfang dieser Woche barsch und scheinbar selbstsicher erstmals zu dem Fall äußerte. Der PiS-Politiker will nur 200 illegal ausgestellte Visa wahrhaben.

Hauptakteur könnte der ehemalige Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk sein, den die Regierung Ende August ohne Angaben konkreter Gründe feuerte. Er soll sich seit Freitag nach einem Suizidversuch im Krankenhaus befinden. Unklar bleibt, wohin genau die Gelder geflossen sind, und wer in der Regierung davon wusste.

„Das ist das Zerschlagen der Europäischen Union von innen“ so der pensionierte polnische Diplomat und Außenpolitiker Ryszard Schnepf. Polen sei nun weltweit als einfachster Migrationsweg in die EU bekannt.

Kernthema der PiS

Stimmen sie, treffen die Vorwürfe Morawieckis Regierung stark. Schon seit Jahren stellt sie sich als Bollwerk gegen illegale Migration dar - ein Kernthema der PiS. Die Partei lehnt es ab, Asylsuchende aus den überlasteten Ländern Italien und Griechenland aufzunehmen sowie als Ersatz eine Gebühr an diese EU-Mitglieder zu entrichten. Am 15. Oktober lässt die Führung in Warschau daher zeitgleich zur Wahl auch gegen das EU-Migrationspaket abstimmen.

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Im Herbst 2021 errichtete Polen einen über 400 Kilometer langen Zaun, der gegen Migranten aus Nahost und Afrika schützen sollte, welche von Belarus die grüne Grenze überschreiten wollten. Der belarussische Präsident Aleksander Lukaschenko hatte diese mit dem Versprechen eines Transfers in den Westen in sein Land gelockt, seitdem sollen 50 Menschen an der Grenze zu Polen gestorben sein.  

Medien zeigen nun Aufnahmen von langen Wartereihen junger Männer vor der polnischen Botschaft in Nigeria - Menschen also, gegen welche der lange Zaun errichtet wurde.  

Verändertes Straßenbild

Fest steht – in den letzten Jahren hat sich das Straßenbild polnischer Städte verändert – es sind mehr Schwarzafrikaner und Inder zu sehen, die Jobs als Pizza-Auslieferer oder in der steil wachsenden IT-Branche haben.

Das Regierungslager reagiert bislang mit einem Herunterspielen des Skandals. Gleichzeitig wird mit erhöhter Aggression die Opposition angegriffen. Es geht vor allem um Emotionen – der Staatsfunk vermittelt bereits, dass die Opposition aus Polen ein zweites Lampedusa machen wolle.

In den Umfragen hat die PiS weiterhin einen Vorsprung vor dem Parteienbündnis KO, das aus der Bürgerplattform (PO) und der liberaleren Partei „Modernes Polen“ (N) besteht. Ihr Chef Donald Tusk, der bereits 2007 bis 2014 das Land regierte, will die Nationalkonservativen ablösen. Ob er aus dem Skandal Kapital schlagen kann, bleibt offen.

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