Getreide aus der Ukraine: Polen verlängert Importstopp

Ukrainische Getreidesäcke
Lange war Polen der große Ukraine-Helfer in der EU. Doch die Wahlen im Oktober rücken die Wünsche der Bauern an oberste Stelle.

Von Jens Mattern

Die Miene von Polens Premier Mateusz Morawiecki war streng, als er am Dienstag beteuerte: „Die Interessen des polnischen Landwirts stehen bei uns an erster Stelle.“

Der nationalkonservative Politiker gab bekannt, dass Polen den Einfuhrstopp für ukrainische Agrarprodukte nach dem 15. September weiterführen wird, egal wie sich die EU-Kommission diesbezüglich entscheidet. Denn an diesem Freitag endet das Importverbot von Weizen, Mais, Sonnenblumenkernen und Rapssamen für den Markt der östlichen EU-Mitgliedsländer Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Sowohl in Brüssel als auch in Straßburg liefen am Dienstag Gespräche von Vertretern dieser Länder über eine mögliche Verlängerung des Embargos, die am Mittwoch weitergeführt werden.

Für Warschau steht viel auf dem Spiel, gibt es doch am 15. Oktober Parlamentswahlen: Traditionell leben die Wähler der nationalkonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) vornehmlich auf dem Land. Auf der anderen Seite war und ist Polen eines der aktivsten Ukraine-Helfer. Darum nahm es die Beschwerden über den Preisverfall durch ukrainische Billigimporte, die bereits im vergangenen Sommer von den Landwirten artikuliert wurden, lange in Kauf – bis diese Bauern im Frühjahr mit Traktoren Blockaden errichteten.

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Beschwerde aus Kiew

Als Reaktion sperrte Polen am 15. April in eigener Regie die Getreidezufuhr aus der Ukraine, die EU-Kommission zog nach. Doch das am 5. Juni in Kraft getretene Import-Verbot beklagte Kiew mehrfach und wies darauf hin, dass Russland so den Druck auf die Ukraine erhöhen könne. Sollte Polen das Embargo umsetzen, würde die Ukraine Polen vor der Welthandelsorganisation verklagen, kündigte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal an. Auch mehrere ukrainische Agrarverbände haben Anfang dieser Woche an EU-Institutionen appelliert und darauf hingewiesen, dass Russland den Getreidetransport über ukrainische Schwarzmeer-Häfen nicht mehr gewähren will. Zudem sei der Transit durch fünf EU-Länder durch das Embargo eingeschränkt.

Dem widerspricht der polnische Landwirtschaftsminister. Der Transit von ukrainischem Weizen habe sich in Polen von März auf Juni von 120.000 auf 260.000 Tausend Tonnen gesteigert. Die Durchfuhr von ukrainischen Agrarprodukten zu westeuropäischen Häfen sei nach polnischem Willen auch nach dem 15. September nicht gefährdet. Die Ukraine gilt als wichtiger Weizen-Lieferant für afrikanische Länder.

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Neben Polen verlangen auch Ungarn und die Slowakei ein Weiterführen des Embargos, während sich Rumänien und Bulgarien kompromissbereiter zeigen. Die meisten EU-Mitgliedsländer, darunter Österreich, zeigten sich bislang dazu geneigt, das Embargo aufzuheben. Polen will das Embargo vorläufig bis Jahresende beibehalten.

Das Verhältnis zwischen Kiew und Warschau ist in dieser Frage zum ersten Mal seit Beginn der russischen Invasion auf eine ernsthafte Probe gestellt.

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