Für die Grünen kommen sie zur Unzeit. Mehrmals musste Baerbock ihren Lebenslauf auf Mitgliedschaften korrigieren, nachdem ihn Journalisten unter die Lupe genommen hatten. Zudem lancierte die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine Kampagne, die Baerbock als verbotswütige Moses-Figur zeigt. Das Sujet wurde in sämtlichen großen Tageszeitungen inseriert.
Dementsprechend blank sind die Nerven in der Grünen-Parteizentrale. Der prominente Medienanwalt Christian Schertz wurde eingeschalten. Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer, rief gar zum Kampf auf: „Das ist der Versuch von Rufmord und Teil einer Kampagne!“ Anhänger der Grünen, kleinste Partei im Bundestag mit wenig Ressourcen, sollen twittern und Solidarität zeigen.
Der politische Gegner beschwichtigt indessen. Marco Buschmann von der FDP sieht in der Causa „eine Kleinigkeit“. Besser wäre, man würde über Modernisierung von Staat, Infrastruktur und sozialem Sicherungssystem sprechen. Günter Krings, CDU-Staatssekretär, findet gegenüber t-online, man sollte die Grünen inhaltlich stellen und „sich nicht auf Nebenschauplätzen verzetteln“.
Die Verhältnismäßigkeit der Vorwürfe treibt auch Beobachter um. „Das Bedürfnis nach Empörung ist größer als der Anlass“, kommentiert der Tagesspiegel. Das Handelsblatt findet dagegen, Baerbock müsse die Kritik aushalten.
Die Proportionen müssen gewahrt bleiben, sagt wiederum Frank Decker von der Universität Bonn. Keine der Anschuldigungen lege nahe, sie könne sich bereichert haben oder korrupt sein. „Im Vergleich zu dem, was Olaf Scholz etwa bei Cum-Ex-Geschäften oder Armin Laschet bei verschlampten Uni-Klausuren vorzuwerfen ist, sind die Fehler bei Baerbock Lappalien“, zitiert ihn die Rheinische Post.
Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, ortet die Fehler bei den Grünen, die schon bei der Lebenslauf-Debatte alles auf einmal hätten bereinigen sollen. „Fatal war, dass es scheibchenweise kam und dass sie sich ständig entschuldigt hat“, so Münch zum KURIER. „Sie ist Perfektionistin und ich glaube ihr, dass sie sich ärgert. Dazu gehört, dass man es ständig auf den Markt trägt. Doch sich über das Ärgern eine Absolution zu holen, funktioniert in der digitalen Mediengesellschaft nicht.“
Ob sich die Debatte bald um Inhalte dreht, ist ungewiss. „Plagiatsjäger“ Weber kündigte an, die Masterarbeit von Baerbock zu durchleuchten. Von der taz gefragt, ob er sich denn auch die Kandidaten Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) auch vornimmt, verneinte er – das sollen andere machen.
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