Ohne Frankreich geht in der EU nichts
Deutschland ist das wirtschaftliche Großkraftwerk Europas. Aber es war Frankreich, das der EU in den vergangenen Jahren die wichtigsten politischen Impulse gab: So brachte Präsident Emmanuel Macron die zögernde deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel dazu, ein altes Tabu über Bord zu werfen: Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen, nimmt die EU erstmals gemeinsam und im großen Stil Schulden auf.
Und Macron drängt beharrlich: Europa muss stärker werden, militärisch, politisch, wirtschaftlich; es muss seine Souveränität ausbauen, um nicht im Wettbewerb zwischen USA und China aufgerieben zu werden. Dabei geht Macron nicht ohne Eigennutz vor: Was Europa nützt, das nützt natürlich auch dem darin eingebetteten Frankreich – lautet das Credo des Staatschefs im Elysée-Palast. Eine europäische Armee – unter französischer Führung – könnte sich Macron denn auch gut vorstellen.
Die vergangenen Jahre zeigten allerdings auch: Frankreich mag fordern – aber ohne die Unterstützung Deutschlands lässt sich in der EU wenig bewegen. Es ist vielmehr das deutsch-französische Tandem, das Entwicklungen in Gang setzt und die Union immer wieder aus Krisensituationen herausholt. Hier liegt auch die ursprüngliche Idee, die sich mittlerweile zum größten Binnenmarkt der Welt entwickelte: Die einstigen Todfeinde Deutschland und Frankreich sollten über wirtschaftliche Kooperation so eng aneinandergebunden werden, dass Krieg nicht mehr möglich ist.
Wenn Deutschland heute blockiert, steht in der EU alles still. Legt sich Frankreich quer, geht ebenso wenig. Doch so radikal wie einst Ex-Präsident Charles de Gaulle sagte das heute nicht weniger selbstbewusste Frankreich nie wieder "Non": Ein halbes Jahr lang blockierte Frankreich damals alle Entscheidungen auf europäischer Ebene: Diese als "Politik des leeren Stuhls" bekannt gewordene Verweigerungshaltung endete mit einem Kompromiss und einem schweren Imageschaden für Frankreich.
Der Wahlsieg Macrons dürfte eine große Erleichterung für Europa sein, auch wenn der charismatische Liberale bei weitem nicht überall der Wunschpartner ist. Seine Widersacherin wollte sich von der seit Jahrzehnten engen Zusammenarbeit mit Deutschland lossagen.
Die europaskeptische Nationalistin Le Pen strebte zudem danach, den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich entscheidend einzudämmen, und hätte in Brüssel etliche Vorhaben aus Eigeninteressen ausbremsen können. Nicht zuletzt ihre Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin schürte Sorgen, die feste Pro-Ukraine-Front des Westens könnte unter Le Pen bröckeln.
Umso erleichterter reagierten am Sonntagabend die politischen Spitzen der EU-Institutionen in Brüssel, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel. Auch die neue Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola gratulierte auf Twitter: "Eine starke Europäische Union braucht ein starkes Frankreich." Italiens Premier Mario Draghi sprach von einer "wunderbaren Nachricht für ganz Europa".
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