Von der Leyen übernimmt: Wie sie Europa retten will

Vizepräsident Frans Timmermans gratuliert Ursula von der Leyen
461 von 751 Abgeordneten stimmten für Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionpräsidentin. Die Deutsche geht mit einem Mammutprogramm ins Amt.

Das EU-Parlament hat am Mittwoch in Straßburg die neue EU-Kommission von Ursula von der Leyen bestätigt. 707 der 751 EU-Abgeordneten nahmen an der Abstimmung teil, 461 stimmten für das Kollegium, 157 dagegen, 89 Mandatare enthielten sich. Österreich ist in der neuen Kommission zum dritten Mal durch Johannes Hahn vertreten, diesmal in der Funktion des EU-Budgetkommissars.

Mit 461 Stimmen ist das Ergebnis besser als jenes des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Junckers vor fünf Jahren - damals stimmten 422 Abgeordnete für den Luxemburger.

"Lasst uns an die Arbeit gehen"

Neo-Präsidentin von der Leyen kann ihr Amt offiziell am Sonntag (1. Dezember) antreten. Die erste, deutsche Kommissionsspitze seit mehr als 50 Jahren will, dass "Europa entschlossen Tempo macht, beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung und auch mit neuen Vorschlägen kommt beim Dauerbrenner Migration".

Sie hatte in einer Rede vor den Abgeordneten am Vormittag für die nächsten fünf Jahre einen umfassenden Wandel in Europa angekündigt, der die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft berühren werde. "Wir tun das, weil es das Richtige ist, nicht weil es einfach sein wird", sagte die Deutsche. Und sie betonte die Botschaft: "Lasst uns an die Arbeit gehen."

Europa als erster klimaneutraler Kontinent

Vier Wochen lang scharrte von der Leyen in den Startlöchern. Die Erwartungen an sie sind hoch, auch weil sie in den vergangenen Monaten auf Druck des EU-Parlaments viel versprochen hat - vor allem hinsichtlich der Klimaproblematik.

So soll Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Von der Leyen will in ihren "ersten 100 Tagen" ein entsprechendes Gesetz vorlegen. Das EU-Etappenziel bei der Treibhausgasverringerung bis 2030 will sie von 40 Prozent auf 50 oder 55 Prozent erhöhen. Damit Firmen aus Drittstaaten mit geringeren Klimaauflagen kein Umwelt-Dumping betreiben, soll eine "CO2-Grenzsteuer" eingeführt werden.

Migration und Rechtsstaatlichkeit

Auch in punkto Außengrenzschutz hegt von der Leyen große Pläne, die vorsehen, bis 2027 die EU-Behörde Frontex auf 10.000 Beamte auszubauen. Von der Leyen will diese bis 2024 umsetzen. Zudem plant sie einen neuen Anlauf bei der festgefahrenen EU-Asylreform. Bei der umstrittenen Seenotrettung im Mittelmeer will sie "eine dauerhaftere Antwort" und nicht mehr "Einzelfalllösungen".

Polen und Ungarn haben bisher nicht nur bei der Migrationsthematik sämtliche Lösungsansätze blockiert. Gegen beide Staaten laufen auch Strafverfahren wegen Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien. In der Frage zeigte sich von der Leyen, die bei ihrer knappen Wahl im EU-Parlament im Juli auf Stimmen aus Osteuropa angewiesen war, lange zurückhaltend. Nun forderte sie, hier dürfe Europa "niemals Kompromisse eingehen".

Stolperstein Brexit

Was von der Leyen noch vorantreiben will: den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, "faire" Mindestlöhne, "höchste Standards" beim Außenhandel hinsichtlich Klima- und Arbeitnehmerschutz, sowie die umstrittene Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien.

Beim Thema Brexit meint von der Leyen, dass das mit London ausgehandelte Ausrittsabkommen "der einzige und bestmögliche" Deal sei. Der bereits dreimal verschobene EU-Austritt bleibt für sie ein großer Unsicherheitsfaktor - auch weil die Briten trotz Mitgliedschaft bis mindestens Ende Jänner keinen EU-Kommissar stellen wollen. Damit könnten Rechtsakte der neuen Kommission juristisch angefochten werden.

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