Die solide Kommissionschefin und ihr grünes Wagnis

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Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich eine Herkules-Aufgabe gesetzt: Ein grüner Deal für Europa.
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Ursula von der Leyen wird das Rad nicht neu erfinden. Ebenso wenig ist die neue Chefin der EU-Kommission eine politische Superherheldin oder die Erfinderin einer Zauberformel, wie die Europäische Union die existenziellen Herausforderungen der kommenden Jahre bewältigen wird. Aber eines hat die 61-jährige, früherer deutsche Verteidigungsministerin immerhin schon jetzt, wenige Tage vor ihrem Amtsantritt am 1. Dezember, bewiesen:

Sie spürt, wie dringlich es für Europa ist, sich auf einen fundamentalen Wandel einzustellen. Und man hofft, dass die Chefin der neuen Kommission und damit die fortan mächtigste Frau des Kontinents nicht davor zurückschreckt, die ihr möglichen Mittel, neue Wege zu öffnen, auch wirklich einzusetzen.

Kernstück ihrer politischen Agenda: „Ein grüner Deal“ für die EU. Dieses Rundumkonzept in Richtung eines schadstoffarmen, umweltfreundlicheren Wirtschaftens wäre, so es denn hält, was es zu versprechen scheint, eine echte Wegscheide für unsere Ökonomie, aber auch für unser Konsumverhalten.

Das Ziel: Innerhalb der nächsten 30 Jahre soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent sein – er soll also unter dem Strich nicht mehr Treibhausgase emittieren als durch Wald und andere Wege ausgeglichen werden.

Klingt gut – und ist im Augenblick auch äußerst populär.

Wenn es aber dann an die Umsetzung geht, darf von allen Seiten heftigster Widerstand erwartet werden. Denn eines sollte man nicht vergessen: Die EU besteht (noch) aus 28 Nationalstaaten, und die neue Kommission ist keine europäische Super-Regierung mit allmächtigen Kompetenzen, sondern hat vorwiegend dienende Funktion. Ursula von der Leyen und ihr Team aus 26 Kommissaren (ein britischer fehlt) legen Gesetzesvorhaben vor. Ob und in welcher Form sie je durchgesetzt werden, darüber müssen sich dann Europäisches Parlament und die nationalen Regierungen einigen.

Doch welche große Richtung die EU einschlagen kann und wo sie ihre wichtigsten Ziele sieht, das liegt in der Hand der Kommission. Und das macht Ursula von der Leyen klar: Wenn die EU überleben will, muss es mit Großeinsatz den digitalen Wandel meistern und gegen den Klimawandel ankämpfen. Alle anderen Pläne, von einer europäischen Migrationspolitik, einem europäischen Mindestlohn bis hin zu einer Vertiefung der Bankenunion, spielen derzeit nur eine untergeordnete Rolle.

Mit herausragenden Rednern im Stile eine Barack Obama wird sich Ursula von der Leyen nie messen können. Und auch großartige politische Visionen sind von ihr nicht zu hören.

Aber man darf es der ersten Frau an der Spitze der Kommission durchaus zutrauen, eine solide Politik anzustoßen, die Europa in den kommenden Jahren zusammenhält und im besten Fall auch stärkt.

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