Nutzt Kachstans Präsident die Unruhen zum Ausbau seiner Macht?

Tokajew folgt auf Nasarbajew
Die Gewalt gegen Demonstranten steht im medialen Fokus, doch gleichzeitig geht Tokajew gegen seinen mächtigen Vorgänger vor.

Auch am Samstag war in Kasachstan noch kein Ende der Gewalt in Sicht. Nachdem die Sicherheitskräfte am Freitag von Präsident Kassym-Schomart Tokajew den Befehl erhalten hatten, ohne Vorwarnung auf Demonstranten zu schießen, kam es den Behörden zufolge in der Nacht zu Explosionen und Schüssen in der Wirtschaftsmetropole Almaty.

Tokajew sprach am Abend von bis zu 20.000 „gut ausgebildeten Banditen und Terroristen“, die die Stadt in mehreren Wellen angegriffen haben sollen. Es ist unklar, wer diese militanten Widerstandskämpfer sein sollen – zuletzt war es nämlich kaum möglich, unabhängige Informationen aus der ehemaligen Sowjetrepublik zu erhalten: Das autoritäre Regime stellt seit Dienstag in weiten Teilen des Landes immer wieder das Internet ab, zudem ist der Mobilfunk in Almaty, dem Brennpunkt des Konflikts, immer wieder unterbrochen.

Palastrevolte

Somit verbleiben Regierung und Behörden als einzige Informationsquellen. Was die aber zuletzt verlautbarten, lässt manche Beobachter zu dem Schluss kommen, dass Präsident Tokajew die Unruhen nutzt, um seine Macht massiv auszubauen. Der 68-jährige galt bis zuletzt eigentlich als Marionette seines Vorgängers und politischen Ziehvaters Nursultan Nasarbajew, der fast dreißig Jahre im Amt war und nach dessen Vornamen die kasachische Hauptstadt Nur-Sultan seit 2019 benannt ist. Das liegt auch daran, dass sich der 81-Jährige nach seiner Präsidentschaft etliche Vollmachten sicherte.

Doch nach Ansicht des Carnegie Center mit Sitz in Moskau führte Tokajew in den letzten Tagen eine „Palastrevolte“ durch: Zunächst entließ er die noch von seinem Vorgänger eingesetzte Regierung. Dann übernahm er sogar den Vorsitz des Sicherheitsrats von Nasarbajew – ein mächtiger Posten, über den er auch nach seiner Präsidentschaft die Kontrolle im Land behalten hatte.

Nutzt Kachstans Präsident die Unruhen zum Ausbau seiner Macht?

Tokajew (l.) scheint sich von seinem mächtigen Vorgänger Nasarbajew zu emanzipieren.

Doch damit nicht genug: Wie die Behörden am Samstag mitteilten, wurde der bis zuletzt äußerst mächtige Ex-Geheimdienstchef Karim Massimow wegen „Hochverrats“ verhaftet. Erst am Mittwoch war er von Tokajew aus dieser Funktion entlassen worden. Massimow gilt als einer der einflussreichsten Vertrauten Nasarbajews, war unter ihm bereits zweimal Ministerpräsident.

In nur wenigen Tagen habe Tokajew somit die unsichere Lage genutzt, um das über Jahrzehnte aufgebaute System seines Vorgängers zu „zerstören“, so die Experten des Carnegie Centers. Der Sprecher der kasachischen Regierung gab dagegen an, die beiden mächtigen Männer befänden sich „in engem Kontakt“ zueinander.

Erst, wenn sich die Situation vor Ort wieder beruhigt, wird man mehr wissen.

Kommentare