Wahlen, bei denen der Sieger schon feststeht: "Mosambik ist hochexplosiv"

Wahlen, bei denen der Sieger schon feststeht: "Mosambik ist hochexplosiv"
Österreich hat besonderes Interesse am südostafrikanischen Land. Doch Armut, Frust und die Übermacht der Regierungspartei sorgen für Eskalationspotenzial.

83 Prozent – das sei eine der Zahlen, die als mögliches Ergebnis herumgeistern. Obwohl die Wahl noch gar nicht stattgefunden hat. "Es besteht kein Zweifel daran, dass sich die Frelimo zum Wahlsieger erklären wird", sagt der mosambikanische Soziologe João Feijó zum KURIER. Für klein- und großflächigeren Wahlbetrug sei alles vorbereitet, "jeder rechnet mit Strom- und Internetausfällen am Wahltag, um Chaos zu verursachen, so wie bei den letzten Wahlen. Der Staat und die Partei, das ist in Mosambik dasselbe."

Am Mittwoch werden im südostafrikanischen Land Mosambik ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt – knapp 17 Millionen der 33 Millionen Einwohner gelten als wahlberechtigt. Doch viele dürften auf ihre Stimmabgabe angesichts des bereits sicheren Ergebnisses der Wahl verzichten.

Europäische und österreichische Interessen

Das Land zählt zu den ärmsten der Welt – obwohl es über wertvolle Ressourcen wie Öl-Reserven vor der Küste verfügt. Auch deswegen ist es für Europa von Interesse: Die EU gehört zu den größten Gebern von Entwicklungsgeldern, europäische Firmen liefern sich ein Wettrennen gegen chinesische Investoren. Bei den jetzigen Wahlen wird eine Wahlbeobachtungsmission vor Ort sein.

Das Rot der regierenden Frelimo ist in Mosambik überpräsent.

Das Rot der regierenden Frelimo ist in Mosambik überpräsent.

Für Österreich ist Mosambik seit dessen Unabhängigkeit 1975 Schwerpunkt-Land in der Entwicklungshilfe – damals aus ideologischer Nähe zwischen der SPÖ-Regierung und der einst sozialistisch angehauchten, seitdem regierenden Frelimo. Zwischen 2004 und 2022 flossen rund 118 Millionen Euro für Entwicklungshilfe aus Österreich nach Mosambik.

Am Papier ist die einst portugiesische Kolonie Mosambik eine Präsidialdemokratie; in der Realität geht die Frelimo stark gegen kritische Stimmen vor. Im Sommer wurde eine Journalistin verhaftet, als sie von einer Demonstration in der Hauptstadt Maputo berichtete. Im Wahlkampf der letzten Wochen war die Frelimo überpräsent: "Sie nutzt sämtliche Staatsressourcen, die Medien, sogar die Beamten für ihre Kampagne. Bei jedem Behördengang musste man in den letzten Wochen mit enormer Wartezeit rechnen, weil die Staatsbediensteten auf Wahlkampf geschickt wurden", sagt Feijó. Der Frelimo werden Korruption und Bestechung der großteils sehr armen Bevölkerung vorgeworfen – "im Gegenzug halten sie die Menschen an der Macht." Durch Wahlen, glaubt Feijó, sei die Regierungspartei nicht mehr zu "entmachten".

Terrorismus, Armut und Frust

Offiziell stehen neben der Frelimo 36 andere Parteien auf dem Stimmzettel für das Parlament. Die größte und bekannteste Oppositionspartei ist die Renamo, eine einstige vom südafrikanischen Apartheidsregime unterstützte Rebellenorganisation, gegen die die Frelimo nach der Unabhängigkeit Krieg geführt hat. Die Wiedereingliederung ehemaliger Renamo-Kämpfer, die auch Österreich in Entwicklungsprojekten unterstützt, ist nach wie vor ein heikles Thema im Land.

Weil der aktuelle Präsident Filipe Nyusi nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren darf, hat die Frelimo den ehemaligen Gouverneur Daniel Chapo nominiert.

Nach den Kommunalwahlen im Vorjahr gab es heftige Ausschreitungen mit Zusammenstößen, Verletzten und Toten sowie Vorwürfe der Wahlfälschung und des Wahlbetrugs. Die Frelimo reklamierte damals 64 der 65 Gemeinden für sich.

2023 fiel der Demokratieindex des Landes auf 3,5 (0=autoritäres Land, 10=vollständige Demokratie). Auf der Weltrangliste der Pressefreiheit liegt Mosambik am 105. Platz, im Korruptionswahrnehmungsindex auf dem 145. Platz von 180. Mosambik zählt zu den ärmsten Länder der Welt, mit einem Pro-Kopf-BIP von derzeit nur 547 US-Dollar. Über 60 Prozent der Bevölkerung leben in Armut.

Im Wahlkampf ging es aber vorrangig um die Gewalt und Zerstörung in der rohstoffreichen, nördlichen Provinz Cabo Delgado, wo seit Jahren Islamisten wüten. Über eine Million Menschen mussten fliehen. Das versprochene Ende der Kämpfe blieb ein Lippenbekenntnis der Regierung.

Vor allem unter der jungen, urbanen Bevölkerung steigt angesichts der Übermacht der Frelimo sowie des ewigen Kampfes zwischen den beiden Großparteien und der herrschenden Arbeitslosigkeit und Armut der Frust – und gleichzeitig die Zustimmung für einen kompletten Neubeginn, verbunden mit einem Hoffnungsträger, einen "Messias", so nennt ihn Feijó: Venâncio Mondlane, ein ehemaliges Renamo-Mitglied, der von außerparlamentarischen Kleinparteien unterstützt wird, und sich populistisch und laut gegen die Frelimo stellt. Die Wahlkommission wollte ihn von einer Kandidatur ausschließen; "doch je mehr Hindernisse das System gegen ihn errichtet, desto populärer wird er", sagt Feijó. Diese Popularität, die hohe Zustimmung und Verzweiflung der Jungen nennt der Soziologe eine "hochexplosive Mischung".

Venâncio Mondlane ist der umstrittenste der Präsidentschaftskandidaten, und vor allem bei der urbanen Jugend beliebt.

Venâncio Mondlane ist der umstrittenste der Präsidentschaftskandidaten, und vor allem bei der urbanen Jugend beliebt.

Massenproteste

Wie schon nach den Wahlen in den vergangenen Jahren wird mit Massenprotesten gegen das verkündete Ergebnis gerechnet. Feijó schließt auch gewaltsame Zusammenstöße nicht aus – oder dass bewusst gewalttätige Protestierende von der Regierung in den Protest eingeschleust werden, als Rechtfertigung, um diesen niederzuschlagen. 

Und er selbst? Wird der Soziologe zur Wahl gehen? "Das weiß ich noch nicht", sagt Feijó, "mal schauen, wie das Wetter wird.“

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