Biden beim Kronprinz: Das ist Saudi-Arabiens blutiger Reformer
„Wir haben unseren Mann an die Spitze gesetzt“, soll der damalige US-Präsident Donald Trump im Juni 2017 frohlockt haben, als der saudische König Salman seinen erst 31-jährigen Sohn Mohammed als offiziellen Nachfolger eingesetzt hatte. Viele im Westen sahen den jungen Mohammed bin Salman, der oft nur mit seinen Initalien MbS abgekürzt wird, als Reformer, der sein Land öffnen und den Einfluss des Islam klein halten würde.
Inzwischen ist klar: Der heute 36-Jährige ist ein impulsiver, unberechenbarer Herrscher, der anstelle seines dementen Vaters mit eiserner Faust regiert und die meisten relevanten Kritiker im In- und Ausland entweder inhaftieren oder verschwinden ließ.
Zu seinem lange Zeit guten Ruf im Westen hatte MbS in erster Linie selbst beigetragen – mithilfe seines engen Freundes und Namensvetters Mohammed bin Zayed (MbZ), den heutigen König der benachbarten Vereinigten Arabischen Emirate. Er warb regelmäßig bei westlichen Regierungschefs wie Trump dafür, den jungen Saudi in seinem Führungsanspruch zu unterstützen.
Eiskalter Machtmensch
Doch in der Heimat bescheinigten viele MbS schon früh eine dunkle Seite. Nicht nur dort: Als sich seine Ernennung zum Kronprinzen anbahnte, warnte der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) auf ungewohnt deutliche Weise in einem Schreiben an mehrere Medien vor der Gefahr, die von MbS’ „impulsiver Interventionspolitik“ ausgehe.
In den vergangenen fünf Jahren als Kronprinz wurde MbS seinem Ruf in jeder Hinsicht gerecht. Er zerschlug die viele Jahre einflussreiche Islam-Polizei, die auf den Straßen Saudi-Arabiens brutal die Einhaltung der islamischen Gesetze verfolgt hatte. Er öffnete Kinos und Konzertsäle für die breite Bevölkerung. Am meisten änderte sich unter ihm für saudische Frauen: Sie dürfen heute alleine Auto fahren, alleine wohnen und müssen sich nicht mehr verschleiern – all das war vor Jahren noch undenkbar.
Allerdings fußen diese Reformen wohl kaum auf dem westlichen Weltbild des 36-Jährigen, vielmehr sind sie Ausdruck seiner Machtpolitik. Denn eine offene, unreligiöse Gesellschaft verringert den Einfluss der saudischen Imame – und schwache Imame bedeuten ein starkes Königshaus.
500 Verwandte im Hotel inhaftiert
Ein weiterer Ausdruck seiner Machtpolitik ist die Härte, mit der MbS in seinem ersten Jahr als Kronprinz gegen die eigene Familie vorging: An nur einem Abend ließ er mehr als 500 Mitglieder der Königsfamilie wegen Korruptionsvorwürfen verhaften und im eigens dafür geräumten Luxushotel Ritz-Carlton in Riad unterbringen. Der Großteil der Verwandten soll zu Geständnissen gezwungen worden sein, auch unter Anwendung von Folter.
Mit nur einem Streich hatte MbS somit Vermögen im Wert von mehr als 100 Milliarden US-Dollar konfisziert und gleichzeitig fast alle Kritiker innerhalb der eigenen Familie entmachtet. Sein mächtigster Widersacher und Vorgänger als Kronprinz, Mohammed bin Nayef, sitzt seit 2020 wegen des Vorwurfs des Hochverrats in Haft.
Außenpolitisch brach MbS gemeinsam mit seinem Freund aus den Emiraten, MbZ, im Nachbarland Jemen einen Stellvertreterkrieg mit den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen vom Zaun, den man zu verlieren droht.
"Psychopath mit unbegrenzten Ressourcen"
MbS hält sich auch eine eigene Spezialeinheit, die er gezielt auf Kritiker im Ausland ansetzt. Ein Attentat auf den geflohenen saudischen Ex-General Saad al-Jabri wurde 2020 von der kanadischen Polizei verhindert. "Er ist ein Psychopath, ein Mörder, mit unbegrenzten Ressourcen", beschrieb al-Jabri den Kronprinzen anschließend im US-Fernsehen.
Die Beweislast ist erdrückend, dass auch der grausame Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul auf den Kronprinzen zurückgeht. Die unfassbare Brutalität der Tat, die auch anhand von Tonaufnahmen belegt ist – Khashoggi wollte seine Hochzeitspapiere abholen und wurde, während seine Frau draußen wartete, getötet, in sieben Minuten zerstückelt und in Säure aufgelöst – sorgte für einen weltweiten Aufschrei und stellte MbS ins diplomatische Abseits. Der heutige US-Präsident Joe Biden bezeichnete den Kronprinzen deshalb 2019 als „Paria“.
Am Freitag, fast vier Jahre später, wird Biden im saudischen Dschidda zum ersten Mal als Präsident auf Mohammed bin Salman treffen. Der hohe Ölpreis und die gemeinsame Feindschaft mit dem Iran machen es möglich. Beide Seiten wollen daher „im Interesse des Friedens und der Stabilität im Nahen Osten die Sache hinter uns lassen“, heißt es.
Die Wahrheit ist: Biden muss sich mit dem Kronprinzen arrangieren, wenn er die Partnerschaft mit Saudi-Arabien erhalten will. MbS' Macht ist inzwischen unangefochten – und er dürfte noch jahrzehntelang regieren. Eine Zeit, vor der Kritiker wie al-Jabri regelmäßig warnen: „Wenn er erst einmal König ist, wird uns MbS als Kronprinz im Vergleich wie ein Engel vorkommen.“
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