"Singe nicht für die Mörder meines geliebten Jamal" – das fordert Hatice Cengiz, die Verlobte des 2018 ermordeten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. Sie richtet sich dabei an US-Popstar Justin Bieber, der am 5. Dezember beim großen Formel-1-Rennen in Saudi-Arabien auftreten soll. Bieber habe die "Chance, ein Zeichen zu setzen", so Cengiz, damit sein Name "nicht benutzt wird, um den Ruf eines Regimes wiederherzustellen, das seine Kritiker tötet".
Von denen war Khashoggi – als Nahost-Korrespondent für die Washington Post tätig – einer der Prominentesten. Vor mehr als drei Jahren ermordete ihn Spezialkommando im saudischen Generalkonsulat in Istanbul, als er dort Papiere für seine Hochzeit mit Cengiz abholen wollte.
In sieben Minuten zerstückelt
Heute, Dienstag, wird der Prozess in der Türkei in Abwesenheit aller 26 Angeklagten fortgesetzt (Geheimdienstleute, saudische Regierungsvertreter, Ausführende), Ergebnisse sind keine zu erwarten. Auch wenn seit Jahren erdrückende Beweise auf dem Tisch liegen: Am Morgen des 2. Oktober 2018 flogen 15 Männer von Riad nach Istanbul, befanden sich zum Tatzeitpunkt nachweislich am Tatort und flogen noch am selben Abend ab. Sogar von den grauenvollen Vorgängen im Konsulat gibt es Tonaufnahmen.
Darauf soll zu hören sein, wie Khashoggi zunächst gefoltert, dann getötet wurde. Anschließend wurde seine Leiche in nur sieben Minuten zerstückelt – bis heute fehlt von ihr jede Spur. Es ist davon auszugehen, dass die sterblichen Überreste in Säurefässern aufgelöst wurden.
Auch in der Frage, wer den Mord in Auftrag gab, herrscht weitestgehend Einigkeit: Niemand Geringeres als der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman soll dahinterstecken. Das ist nicht nur einem veröffentlichten CIA-Bericht zu entnehmen, auch die französische UN-Sonderberichterstatterin Agnes Callamard sieht den Kronprinzen als Drahtzieher.
Diesen Verdacht lässt man im Königreich natürlich nicht zu. Die offizielle saudische Version lautet: Es handelt sich bei Khashoggis Tod um "einen missglückten Einsatz zur Festnahme", der als "eigenmächtige Aktion der unmittelbar Beteiligten" durchgeführt wurde. Selbst wenn vier Mitglieder des Mordkommandos zuvor auch den Kronprinzen bei Staatsbesuchen begleitet hatten.
Khashoggis Söhne vergeben den Tätern - für Geld?
Auf internationalen Druck hin kam es 2019 in Riad zu einem Scheinprozess gegen elf Verdächtige. Letztlich wurden acht Männer verurteilt – fünf davon zum Tode. Doch weil Khashoggis Söhne Salah und Abdullah im Mai 2020 öffentlich erklärten, sie würden den Mördern ihres Vaters vergeben, wurden die Todesurteile nie verhängt. Sie sollen dafür laut Washington Post Häuser im Wert mehrerer Millionen Euro sowie monatlich Geld erhalten haben.
"Es bleibt zu befürchten, dass der Fall keinerlei ernsthafte Konsequenzen nach sich zieht", sagt Christopher Resch von Reporter ohne Grenzen zum KURIER. Dafür ist das Königreich auch mit westlichen Staaten wirtschaftlich zu eng verbunden. "Unsere Hoffnung ist nur, dass der Imageschaden für Saudi-Arabien so groß ist, dass ihnen das wehtut."
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