Leopard-Panzer für die Ukraine: Ist Europa jetzt Kriegspartei?
Deutschland verkündete die Lieferung von 14 Leopard-2-Panzern, die USA liefern 31 Abrams-Panzer. Reicht das für die ersehnte Wende im Krieg? Und ist Europa jetzt Kriegspartei?
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, der am Mittwoch 45 Jahre alt wurde, erschien es wohl wie ein Geburtstagsgeschenk: Deutschland kündigte an, 14 Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken und die USA liefern 31 Abrams-Panzer. Weitere Verbündete folgten sogleich. Und jetzt? Wann werden die Panzer in der Ukraine ankommen? Wie reagiert Russland? Und wird Deutschland jetzt offiziell zur Kriegspartei?
Deutschland hat eine Entscheidung monatelang herausgezögert. Warum hat Scholz jetzt zugestimmt?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat seit jeher "Alleingänge" bei der Lieferung von neuen Waffensystemen ausgeschlossen. Eine Zusage hat er primär an der Lieferbereitschaft der USA festgemacht. Diese hatten eine Lieferung von Abrams-Panzern lange herausgezögert, auf einen hohen Wartungsaufwand, spezielle Ausbildungen und lange Lieferzeiten verwiesen. Am Dienstag kündigte US-Präsident Joe Biden jedoch an, eine Lieferung von Abrams-Kampfpanzer nicht länger auszuschließen; mittlerweile ist von 30 bis 50 Panzern die Rede. Daraufhin dürfte sich auch Deutschland "bewegt" haben.
Welche anderen europäischen Länder ziehen mit?
Neben den 14 Kampfpanzern des Typs Leopard 2A6 aus Deutschland sollen 14 aus Polen folgen. Portugal dürfte vier liefern, Norwegen acht, Finnland 14. Spanien, das mit 347 Leopard-Panzern eine der größten Flotten in der EU besitzt, verspricht 53 Panzer. Schweden, Estland, Dänemark und die Niederlande könnten nachziehen. Ergänzt werden die Leopard-Panzer von 14 britischen Challenger und 14 französischen Leclerc – und eben 31 Abrams der USA. Insgesamt wären das um die 150 Panzer.
Wie lange wird es dauern, bis die Panzer in der Ukraine ankommen?
Dem deutschen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zufolge dürfte die deutsche Lieferung drei Monate dauern. Oberst Markus Reisner, Strategie-Experte des Bundesheers, meint, es könnte bereits binnen weniger Wochen so weit sein. Reisner betont jedoch die notwendige Ausbildungszeit, um den Leopard überhaupt erst "bedienen" zu können: Bei vorausgebildeten Soldaten betrüge diese acht bis 12 Wochen. Beschränke sich die Ukraine auf ein Mindestwissen, "können bereits wenige Wochen reichen".
Gelingt mit den neuen Kampfpanzern die Kehrtwende im Krieg?
Reisner bezeichnet die Kampfpanzer gegenüber dem KURIER als entscheidendes Element, "„um aus dem aktuellen Stellungskrieg in der Ostukraine einen Bewegungskrieg zu machen. Sie sind ein wichtiges Rädchen im System – aber eben nur ein Rädchen von vielen." Er verweist auf die Forderung des ukrainischen Generalstabschefs Walerij Saluschnij von 300 Kampfpanzern, 600 bis 700 Schützenpanzern und 500 Artilleriesystemen, damit die Ukraine gegen Russland in die Offensive gehen könne.
Die Kehrtwende hängt auch von der Panzerstärke Russlands ab: 2.000 der ursprünglich 3.300 Kampfpanzer seien mittlerweile zerstört. Mindestens 2.000 sowjetische könnte Russland in den kommenden Wochen aber gefechtsfähig machen, so Reisner.
Wie reagierte die Ukraine auf die Ankündigung?
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij reagierte zurückhaltend. Er lobte die Entscheidung, betonte jedoch, "der Bedarf ist größer." Reisner zufolge könnte die Zusage von Kampfpanzern einen "Dominoeffekt" und die Lieferung weiterer Waffensysteme nach sich ziehen: "Der Westen hat eine Hemmschwelle überschritten."
Und Russland?
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte die Entscheidung "absurd", die Pläne seien "zum Scheitern verurteilt". Sowohl Leopard als auch Abrams seien den sowjetischen T-90 deutlich unterlegen. Westliche Fachleute dementieren: Der Leopard gilt in seiner jeweiligen Generation als bester Kampfpanzer weltweit. Im Fernsehen wurde Deutschland zur "Kriegspartei", Scholz zum "Nazi" erklärt. Russische Hacker riefen zu Cyberangriffen auf.
Ist Deutschland jetzt offiziell Kriegspartei?
Reisner verweist auf das völkerrechtliche Verständnis betreffend Europas möglichem Status als "Kriegspartei": Eine direkte Kriegsbeteiligung sei nur dann der Fall, "wenn eigene Soldaten unmittelbar auf dem Schlachtfeld gegen Russland eingesetzt werden." Scholz und Biden hatten das bisher ausgeschlossen.
Kommentare