Deutsche Panzer für die Ukraine? Keine Entscheidung ist die schlechteste
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich die im geschichtsträchtigen Schwarz-Weiß gehaltenen Fotoshop-Kunstwerke vorzustellen, die die russische Propaganda vermutlich längst parat hat: Ein paar Hakenkreuze auf einem deutschen Leopard-Panzer, der an ein paar traurig dreinschauenden Großmüttern in einem Dorf vorbeirollt. Fertig ist die Botschaft, die der Kreml ohnehin seit Kriegsbeginn aus allen Propagandarohren feuert: Schon wieder rollen die Nazis Richtung Russland – und diesmal, so genau nimmt man es da historisch nicht, gleich gemeinsam mit dem Rest des bösen Westens.
Es ist also tatsächlich eine nicht nur aus historischen Gründen schwerwiegende Entscheidung, die der deutsche Kanzler zu treffen hat. Einer kriegführenden Nation Kampfpanzer, also die prototypische Angriffswaffe, zu liefern, kann und wird nicht ohne Konsequenzen bleiben, für die Ukraine, für Russland, aber auch für Deutschland nicht.
Denn natürlich stellt sich die Frage, wohin die Ukraine diese Panzer rollen lässt und welche Perspektiven das für den Krieg und auch für die Hoffnung auf Frieden eröffnet, der derzeit irgendwie niemanden zu kümmern scheint. Wer der Ukraine diese Waffen in die Hand gibt, macht ihr damit den Weg zu einer Offensive frei, die längerfristig auch die Rückeroberung der Halbinsel Krim beinhaltet – und das ist zwar aus völkerrechtlicher Sicht völlig legitim, für Russland aber aus nachvollziehbaren Gründen jenseits der roten Linie.
Bevor man sich aber bang die Frage stellt, ob Moskau darauf mit einer weiteren Eskalation, im schlimmsten Fall mit der Atombombe antwortet, sollte man eines klarstellen. Ja, Deutschland bezieht damit in diesem Krieg klar Stellung und macht diesen damit auch zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland und dem Westen.
Das mag sich in den für das Wort Krieg in Berlin und auch in Wien besonders empfindlichen Ohren furchtbar anhören, ist aber eine Tatsache, die man realisieren – und eine Entscheidung, um die man sich nicht drücken kann. Die Strategie, wir lassen da unauffällig eh nur ganz ganz wenige Panzer rollen, ist fatal, weil sie der Ukraine militärisch nicht wirklich hilft und trotzdem das Narrativ des Kreml bedient.
Es gibt also genügend Gründe für Deutschland, keine Kampfpanzer zu liefern und wahrscheinlich einige mehr, es doch zu tun. Wer sich dagegen entscheidet, kann in weiterer Konsequenz nur auf einen raschen Frieden drängen, bei dem die Ukraine vermutlich einige Teile ihres Territoriums aufgeben muss. Berlin hat das Recht, auch diese Haltung einzunehmen, auch wenn der Sturm der Kritik wohl heftig wird. Die Aufgabe eines Chefs, hieß es einst scherzhaft, sei, Essen zu gehen und zu entscheiden. Essen – gerade erst im Pariser Élysée-Palast – war Olaf Scholz in letzter Zeit wirklich oft genug.
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