Wie steht die Ukraine militärisch da?
Nur westliche Waffenlieferungen machen für die Ukraine eine Fortsetzung des Krieges möglich. Hatte man im Sommer den Großteil der eigenen Bestände verbraucht, waren es bei der Offensive im Herbst die aus Tschechien, oder Polen gelieferten Waffen aus früheren Ostblock-Beständen. Für neue Offensiven sind jetzt weitere Lieferungen nötig. Jetzt aber geht es um Waffen westlicher Bauart.
Warum ist die Frage der Panzer so zentral?
Die Ukraine bereitet zwei Offensiven im Osten und im Südosten des Landes vor. Um die von den Russen verteidigten Gebiete einzunehmen, sind Kampfpanzer – rund 300 Stück – notwendig. Nur sie haben die Angriffskraft, um diese Gebiete unter Kontrolle zu bringen. Dazu fordert die Ukraine etwa 600 Schützenpanzer und 600 Artilleriegeschütze. Diese Zahlen sind Ergebnis militärischer Überlegungen, nicht frei gewählt.
Die USA sind der Hauptlieferant an Waffen. Wie ist deren Strategie?
Die USA haben seit Kriegsbeginn die Menge Waffen geliefert, die die Fortsetzung des Krieges möglich macht, aber einen durchschlagenden Erfolg der Ukraine nicht. Sie haben kein Interesse daran, dass der Konflikt mit Russland eskaliert, dass der Westen zu stark involviert wird. Das könnte Moskau den Grund liefern, um Atomwaffen einzusetzen. Man will keine rote Linie überschreiten. Deutlich wurde das etwa beim Rückzug der Russen aus Cherson, der ihnen ermöglicht wurde, ohne sie unter Feuer zu nehmen und schwere Verluste zu verursachen. Auch dass Washington keine Kampfjets, keine Tiefflieger oder weitreichende Raketen liefert, ist Teil dieser Strategie.
Was aber bedeutet das für die Ukraine?
Die ukrainischen Streitkräfte werden inzwischen seit Jahren nach den Prinzipien westlicher Militärs ausgebildet – etwa in Großbritannien, oder den USA. Das macht sie deutlich beweglicher als die russische Armee, die nach einer anderen Militärdoktrin vorgeht. Das hat der Ukraine vor allem in der Anfangsphase dieses Krieges deutliche Vorteile gebracht. Jetzt aber stehen ihre Streitkräfte mit ihren geplanten Offensiven zunehmend unter Zeitdruck. Man wird rasche Erfolge brauchen, daher der Ruf nach mehr Waffen und auch mehr Munition.
Und für die Russen?
Die russische Armee hat den Ukrainern vor allem an der Front im Osten einen Abnützungskrieg aufgezwungen, der stark an die Vernichtungsschlachten der beiden Weltkriege erinnert. Bei dieser Art der Kriegsführung, bei der etwa massiv Artillerie eingesetzt wird, ist flächendeckende Zerstörung, hoher Verschleiß von Waffen und Material und hohe Anzahl von Todesopfern, grundlegender Teil der Taktik. Bei dieser Art der Kriegsführung sind die Ressourcen entscheidend. Und da sind die Russen mit ihren gigantischen Materialreserven und den Möglichkeiten zur Mobilisierung neuer Truppen langfristig überlegen. Die Zeit also spielt für die Russen.
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