Kuhhandel soll Koalition retten

Berlin: FDP und CSU erhalten nach internem Streit etwas Luft.

Ein Jahr lang hatten sich die Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und FDP nicht mehr zu einem „Koalitionsgipfel“ getroffen, der zu Beginn monatlich vereinbart worden war. In der Nacht auf Montag musste daher Merkels Koalition Konsens und Dynamik zeigen. Sie beschloss zwei lange auch intern umstrittene Maßnahmen: Die „Praxisgebühr“ für Versicherte wird abgeschafft und das „Betreuungsgeld“ eingeführt. Das soll elf Monate vor der nächsten Wahl vor allem den kleinen Koalitionspartnern FDP und CSU helfen und ihren Dauerstreit beenden.

Die Praxisgebühr hatte die rot-grüne Regierung mit der Absicht eingeführt, die angeblich in Deutschland besonders häufigen unnötigen Arztbesuche zu bremsen. Seither zahlt jeder Versicherte zehn Euro beim ersten Arztbesuch des Quartals und beim Zahnarzt nochmals. Wie von den Ärzten vorausgesagt, wurde die Zahl ihrer Patienten aber nicht weniger, dafür aber die Bürokratie für sie mehr und der Überschuss der Kassen auf Kosten der Versicherten um zwei Milliarden höher.

Kulturkampf

Deshalb stimmte nun auch die Union der Abschaffung der Gebühr zu, obwohl sie lieber die Versicherungsbeiträge gesenkt hätte. Die FDP hofft jetzt auf Stärkung bei ihrer geschrumpften Kernwählerschicht, den Freiberuflern. Dafür gab sie dem „Betreuungsgeld“ grünes Licht, das die bayerische CSU ihren Wählern vor allem am Land versprochen hatte als Ausgleich zu den neuen staatlichen Kindertagesstätten-Plätzen. Eltern, die ihre Zwei- und Dreijährigen lieber selbst erziehen, bekommen nun pro Kind 100 bis 140 Euro pro Monat, was den Staat anfangs 120 Millionen Euro kostet.
Die Opposition läuft dagegen Sturm: SPD und Grüne machen seit Langem das Betreuungsgeld als „Herdprämie“ zum Kern eines Kulturkampfes zwischen primär familiärer oder staatlicher Kindererziehung. Sie wollen vor dem Verfassungsgericht klagen: Angesichts der notwendigen Haushaltssanierung seien dies „reine Wahlgeschenke“.
 

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