Krisengipfel auf Bali: Die große Aussprache zwischen Biden und Xi
Wenn die Staatschefs der beiden mächtigsten Nationen der Welt aufeinandertreffen, wird auf jede Kleinigkeit geachtet. So auch am Montag, am Vorabend des G-20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali, wo US-Präsident Joe Biden auf sein chinesisches Gegenüber, Xi Jinping, traf. Lächelnd, ohne Masken, begrüßten die beiden einander per Handschlag – aus dem sich Xi als Erster löste.
Für knapp drei Stunden zogen sie sich anschließend mitsamt ihrer Delegationen zu einem intensiven Austausch zurück, der laut US-Angaben um 21:00 Uhr (Ortszeit) endete; chinesischen Quellen zufolge bereits um 20:48 Uhr. Gemeinsames Statement gab es danach keines.
Die Beziehung der beiden Großmächte befindet sich aktuell aufgrund etlicher Meinungsverschiedenheiten und einer geopolitischen sowie wirtschaftlichen Rivalität auf einem Tiefpunkt. Laut US-Diplomaten war das Gespräch rund einen Monat lang vorbereitet worden, beide Seiten seien erpicht darauf gewesen, die zuletzt aufgeheizte Stimmung abzukühlen.
Taiwan
China sieht die Insel (24 Mio. Einwohner) als Teil seines Staatsgebietes an und schließt eine Eroberung nicht aus. Die USA haben sich offiziell zu Taiwans Schutz verpflichtet.
Russland
Das enge Verhältnis zwischen Xi und Putin ist den USA ein Dorn im Auge, erst Recht seit Beginn des Ukraine-Krieges.
Pazifik
China beansprucht Seegebiete, die tief in die Hoheitsgewässer seiner Nachbarstaaten reichen. Mit vielen dieser Nachbarn sind die USA verbündet, etwa Japan oder Südkorea.
Technologie
Beide Staaten kämpfen um die Vorherrschaft im Technologiesektor. Die US-Regierung erließ im August den „Chips Act“, de facto ein Embargo auf chinesische Halbleiterchips – ein essenzieller Bestandteil moderner Elektronik. China sieht darin die „Mentalität des Kalten Krieges“.
Alte Bekannte
„Die Welt erwartet von China und den USA, dass wir ein vernünftiges Verhältnis zueinander etablieren“, erklärte Xi in seinem Eröffnungsstatement, bei dem internationale Journalisten noch anwesend waren. Auch Biden sah es in beiderseitigem Interesse, „unsere Differenzen zu bewältigen“ und „zu verhindern, dass aus einem Wettbewerb ein Konflikt wird“.
Trotz der angespannten Stimmung blieb der Kommunikationskanal zwischen Washington und Peking stets offen. Biden und Xi kennen einander gut, trafen 2008 erstmals aufeinander, als beide gleichzeitig das Amt des jeweiligen Vizepräsidenten innehatten. Alleine in den vergangenen 18 Monaten hatten sie fünf bilaterale Video-Gipfel abgehalten. Dass sich die Fronten trotzdem verhärteten, liegt vor allem am US-amerikanischen Kurswechsel in der Taiwan-Frage.
Biden ist Taiwan-Experte
Als erster US-Präsident seit dem Ende des Kalten Krieges betonte Biden inzwischen bereits dreimal öffentlich, dass die USA Taiwan militärisch beistehen würden, wenn China die Insel angreifen sollte. Das ist kein Zufall: In seiner Zeit als Senator von Delaware war Biden Ende der Siebzigerjahre Vorsitzender des außenpolitischen Senatsausschusses. In dieser Funktion war der damals 37-Jährige federführend an der Ausarbeitung des sogenannten Taiwan Relations Act beteiligt: einem bilateralen Pakt, der bis heute die Beziehungen zwischen den USA und Taiwan definiert – und in dem auch das Schutzversprechen im Fall eines chinesischen Angriffs enthalten ist. Biden ist mit dem Konflikt also seit Jahrzehnten bestens vertraut.
Doch auch in anderen Punkten fahren die Vereinigten Staaten unter Biden einen deutlich härteren Kurs gegenüber China. Ihre militärische Präsenz im Pazifik erhöht sich seit zwei Jahren stetig, auch die US-Verbündeten vor Ort – allen voran Südkorea, Japan und Australien – werden mit Waffenverkäufen und gemeinsamen Truppenübungen unterstützt.
Der Handelskrieg ist sowieso seit Jahren in vollem Gange, der sogenannte Chips Act (ein Embargo für chinesische Halbleiterchips) traf den chinesischen Technologiesektor hart und soll den US-Vorsprung auf Jahre hinaus sichern.
Xi ist sich dieser Entwicklungen natürlich bewusst. Seit Jahren spricht er davon, dass die USA alle Hebel in Bewegung setzen würden, um Chinas Aufstieg zur Weltmacht zu stoppen – und das nur er sein Land vor diesem Schicksal bewahren könne.
Dass Washington dieses Feindbild bedient, gilt als einer der Hauptgründe dafür, dass Xi seine Macht auf dem kommunistischen Parteitag in Peking vor rund einem Monat massiv ausbauen und sich eine dritte Amtszeit sichern konnte.
Es bleibt wenig Handfestes
Die Tiefen Gräben zwischen Washington und Peking konnten in Bali nicht sofort überbrückt werden. Zurück blieben in erster Linie inhaltsleere Gesten. So sprachen sich beide Seiten gemeinsam gegen den Einsatz von Atomwaffen aus, wie es Xi zuletzt mit dem deutschen Kanzler Scholz tat.
Biden bekannte sich zudem erneut zur Ein-China-Politik, laut der die USA Chinas Anspruch auf Taiwan lediglich „zur Kenntnis nehmen“ (eine zahnlose Formulierung). Einzig, dass ein künftiger Besuch von US-Außenminister Anthony Blinken in Peking fixiert werden konnte, ist als Signal der Annäherung zu verstehen.
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