Warum Amerika China den Chipkrieg erklärt hat - und Europa mit drinnen hängt

Halbleiter-Unternehmen in China
„So sieht Auslöschung aus. Chinas Halbleiterindustrie wird auf null reduziert. Kompletter Kollaps“, twitterte vor einigen Wochen ein entsetzter chinesischer Unternehmer. Ganz so schlimm kam es noch nicht – doch im Kampf um die technologische Vorherrschaft in der weltweiten Halbleiterindustrie haben die USA Anfang Oktober zu harten Bandagen gegriffen: US-Präsident Joe Biden belegte die aufstrebende Chip-Industrie der Volksrepublik mit extrem weitreichenden Exportbeschränkungen.
Wichtige Bauteile für die begehrten Halbleiter dürfen demnach nicht mehr von den USA nach China geliefert werden, ebenso wenig wie Höchstleistungschips und Maschinen zur Chipherstellung.
Und: US-Bürger dürfen nicht mehr bei der Produktion von Halbleitern in China mitarbeiten. Ihnen droht im schlimmsten Fall sogar der Verlust der amerikanischen Staatsbürgerschaft. Erste US-Unternehmen haben bereits begonnen, ihr Personal aus China abzuziehen.
Ziel dieser drastischen Maßnahme: „Die USA haben beschlossen, ihren asiatischen Rivalen auszuhungern und ihn von aller komplexen Technologie abzuschneiden, die für Quantencomputer, Künstliche-Intelligenz-Systeme und Militärausrüstung nötig ist“, schildert Dimitar Lilkov vom Wilfried Martens Centre of European Studies in Brüssel. Kurz gesagt: Die USA wollen ihren Konkurrenten China langfristig aus dem Rennen um die kleinsten Chips werfen.
Herzstücke
Weltmarktanteil
Zwei Drittel der weltweiten Chips kommen derzeit aus Ostasien, vor allem aus Taiwan (26 Prozent Marktanteil), Südkorea und China.
Der Weltmarktanteil der Volksrepublik beträgt derzeit 20 Prozent
USA und EU
Aus den Vereinigten Staaten kommen derzeit 12 Prozent aller Chips weltweit. 1990 waren es noch 37 Prozent:
Europa hinkt hinterher, peilt aber mit einer Chips-Initiative (EU Chips Act) bis 2030 einen Anteil von bis zu 20 Prozent an
Halbleiter sind die Herzstücke moderner Industrieprodukte. Kein Smartphone kommt ohne sie aus, in einem modernen Auto stecken bis zu 1.000 von ihnen. Wer ihre Produktion beherrscht, wird auch bei der Zukunftstechnologie mitentscheiden. Bei der Herstellung von höchstleistungsfähigen Chips hat Taiwan weltweit die Nase vorne, doch China hat in den vergangenen Jahren stark aufgeholt. Bei einem Prozent Weltmarktanteil lag Pekings Chipproduktion vor zwei Jahrzehnten – schon bei 20 Prozent liegt er heute.
Ein Aufstieg, dem die USA, stärkste Wirtschaftsmacht der Welt, nun Bremsen anlegte. Das Problem dabei: „Das US-Embargo könnte abermals unerwünschte Folgen für die globalen Lieferketten haben“, befürchtet Experte Lilkov. Und schmerzhaften Kollateralschaden könnte auch die europäische Chipindustrie abbekommen. Denn Vorprodukte – wie etwa die hauchdünnen Wafer (Halbleiter-Rohlinge) – die erst an die USA und später an China geliefert würden, würden ebenfalls unter das Chip-Embargo fallen.
Die niederländische Firma ASML, Europas größter Hersteller komplexer Maschinen für die Halbleiterproduktion, musste indessen bereits alle seine amerikanischen Angestellten in China anweisen, die Kunden nicht mehr zu bedienen.
Die unerwünschten Nebenwirkungen der US-Gesetze dürften gestern auch beim Treffen der EU-Handelsminister in Prag ein Thema gewesen sein. Denn mit dabei war auch US-Handelsministerin Katherine Tai. Doch trotz europäischer Proteste kann von einem Abrücken des Chipkrieges gegen China keine Rede sein. Zudem will Washington seine eigene Halbleiterindustrie mit 52 Milliarden Dollar fördern.
Da will auch Europa nicht länger hinterherhinken. Mit dem „ EU Chips Act“ hofft die EU, die Fertigung hochmoderner Halbleiter zurück an die Weltspitze zu bringen. 43 Milliarden Euro an Förderungen stehen dafür zur Verfügung. Eile tut Not: Der „Chips Act“ wird frühestens 2023 verabschiedet.
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