Gewaltforscher: "Krieg ist immer eine Möglichkeit"

Gewaltforscher: "Krieg ist immer eine Möglichkeit"
Der Ukrainekrieg könnte noch Jahre dauern, Europa müsse an die Zeit danach denken, warnt der deutsche Historiker und Gewaltforscher Baberowski.

KURIER: Die multiple Krise stellt den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die Probe. Müssen wir verstärkt mit gewaltsamen Entladungen der entstandenen Spannungen – wie wir das bereits bei den Gelbwesten in Frankreich gesehen haben – in Europa rechnen?

Jörg Baberowski: Österreich und Deutschland sind, anders als Frankreich und Italien, von der Kultur des Konsenses geprägt. Aber es wird auch hier zu heftigen sozialen Konflikten kommen, besonders in Ostdeutschland, wo die Bürger ohnehin das Gefühl haben, am politischen Willensbildungsprozess kaum beteiligt zu sein. Die soziale Frage wird unter den Bedingungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise wieder an Bedeutung gewinnen. Und sie wird denjenigen politischen Gruppierungen einen Vorteil verschaffen, die die soziale Frage zum Thema machen, wie die FPÖ in Österreich oder der Front National in Frankreich. Was früher die klassische Linke für sich beansprucht hat, thematisiert jetzt die populistische Rechte. In Deutschland ist es aus verschiedenen Gründen schwieriger für rechte Parteien, sich im politischen System zu etablieren. Deshalb wird sich der Protest in Deutschland wahrscheinlich jenseits des Parlaments formieren.

Ist das mehr oder weniger unausweichlich – weil ja die Entwicklungen von der Politik nur bedingt, und schon gar nicht kurzfristig beeinflussbar sind?

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