Was die Pipeline-Lecks über die möglichen Täter verraten
Was ist bis jetzt sicher bekannt?
Die klaren Fakten abseits jeglicher Spekulation: Am Montag entdeckte die Nord Stream AG einen massiven Druckabfall in den Rohren der Erdgaspipelines Nord Stream und Nord Stream 2: Statt der üblichen 150 Bar fiel der Druck auf lediglich sieben Bar ab.
Schnell konnten die deutschen, dänischen und schwedischen Behörden drei Lecks entlang der Unterwasser-Leitungen in der Ostsee entdecken - erst am Donnerstag gab die schwedische Küstenwache bekannt, dass man auch ein viertes Leck gefunden habe. Sie alle liegen in ca. 80 Metern Tiefe in internationalen Gewässern, also nicht in dem Staatsgebiet einer der angrenzenden Nationen.
Fest steht auch, dass diverse seismologische Institute in der Nacht auf Montag zwei heftige Erschütterungen feststellen konnten - mit einer Stärke von 1,8 bzw. 2,3 auf der Richter-Skala. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelte es sich dabei um Explosionen.
Ein Unfall gilt somit als ausgeschlossen, alle internationalen Verantwortlichen gehen von einem Akt der Sabotage aus; die deutsche Bundesregierung sogar von einem direkten Anschlag. Vor einem solchen habe der US-Geheimdienst CIA die Regierung in Berlin bereits im Juni gewarnt.
Aus den Lecks entweicht aktuell so viel Gas, dass eine genaue Untersuchung der Ursache erst in ein bis zwei Wochen möglich sein wird. Das gaben die dänische und schwedische Regierung bereits bekannt. Mit Anschuldigungen halten sich die meisten Regierungsvertreter bisher zurück.
Wie kann man unbemerkt eine Pipeline sprengen?
Es gibt aktuell zwei Theorien, wie ein solcher Angriff inmitten der Ostsee, einem der am stärksten überwachten Meeresabschnitte der Erde, unbemerkt durchgeführt werden könnte.
Die unkompliziertere Möglichkeit wäre der Einsatz eines sogenannten "Molchs": Ein ferngesteuerter Roboter, mit dem die Gas-Leitungen normalerweise von innen gereinigt werden. An so einem Molch könnten Sprengsätze montiert worden und er unbemerkt innerhalb der Rohre bis in internationale Gewässer gefahren worden sein, bevor sie entzündet wurden. Diese Methode wäre mit Sicherheit von den unterschiedlichen Küstenwachen unbemerkt geblieben.
Die zweite, deutlich aufwendigere Möglichkeit wäre eine Sprengung von außen. Das wäre wohl am einfachsten unbemerkt mit einem kleinen, ferngesteuerten U-Boot (Unterwasser-Drohnen oder Tauchroboter) möglich, zu dem de facto nur staatliche Militärs Zugang haben.
Allerdings wären die Leitungen in rund 80 Metern Tiefe auch für erprobte Taucher erreichbar, die dafür nicht einmal zwingend eine militärische Ausbildung durchlaufen haben müssten - solche Taucher werden zum Beispiel für die Reperaturen von Offshore-Infrastruktur benötigt, entsprechende Ausbildungen gibt es also auch von privaten Anbietern. Auch die entsprechende Ausrüstung kann von Privatpersonen gekauft werden.
Was gilt nun als wahrscheinlich?
Mehrere Gründe sprechen gegen eine Sprengung von innen: Einerseits könnten nur Personen mit guten Kontakten innerhalb des russischen Gas-Konzerns Gazprom oder der Nord Stream AG, die die Pipelines verwaltet, Zugang zu einem solchen "Molch" erhalten. Die gesamte Operation wäre dann auch nur schwer vor anderen Personen innerhalb dieser Konzerne zu verheimlichen gewesen und würde die Zahl der Verdächtigen stark einschränken.
Außerdem konnten in der Nacht von Sonntag Montag nur zwei Erschütterungen dokumentiert werden, dabei entstanden allerdings vier Lecks. Es ist also naheliegend, dass mindestens zwei Detonationen jeweils zeitgleich stattfanden, was auf eine gezielte Sprengung mehrerer Sprengsätze schließen lässt, die vorab an Ort und Stelle angebracht wurden. Damit ist eine Sprengung von außen deutlich wahrscheinlicher.
Auch wenn alle Behörden davon ausgehen, dass nur ein staatlicher Akteur die Ausrüstung, Ausbildung und die Informationen besitzen würde, so einen Sabotageakt derart orchestriert durchzuführen: Alleine deshalb, weil bei Sprengungen von außen Privatpersonen als Täter nicht völlig ausgeschlossen werden können, wären Schuldzuweisungen an einzelne Staaten oder Geheimdienste noch heikler als ohnehin schon. Somit müssen erst die Untersuchungen abgewartet werden - und das kann dauern (s. oben).
Trotz alledem gilt ein Staat oder Geheimdienst schon alleine deshalb als Drahtzieher der Sabotage, weil Privatpersonen wohl kaum Zugang zu militärischen Tauchrobotern oder Unterwasser-Drohnen hätten und private Taucher den Tatort wohl kaum unbemerkt erreicht hätten. Sie müssten mit einem Boot in die Nähe gelangt sein, was mit Sicherheit bemerkt worden wäre. Selbst ein fortschrittliches, größeres U-Boot wäre an einer derart seichten Stelle in der Ostsee wahrscheinlich von Sonar-Geräten entdeckt worden.
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