Kein Weg aus Afghanistan
Die US-Amerikaner sind abgezogen, der Flughafen ist (vorläufig) geschlossen und unter Kontrolle der Taliban. Viele Afghanen versuchen daher die Flucht auf dem Landweg – doch auch dieser scheint für die schätzungsweise vier Millionen Binnenflüchtlinge wenig Erfolg versprechend. Kein afghanisches Nachbarland hat großes Interesse, Flüchtlinge aufzunehmen.
Allein am Übergang Islam Qala an der Grenze zum Iran drängten sich gestern Tausende Menschen, ein Durchkommen war für die meisten nicht möglich. Der Iran will seine Grenzen künftig dicht halten. Zu stark ist der wirtschaftliche Abschwung im eigenen Land – und bereits jetzt sollen sich 2,5 bis 3 Millionen Afghanen im Iran aufhalten.
Auch an einem Grenzübergang zu Pakistan unweit des Khyber-Passes warte eine große Zahl von Menschen darauf, dass die Tore geöffnet werden. Doch auch Pakistan will keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. Die Dunkelziffer an Afghanen, die sich im Land befinden, wird auf sechs Millionen geschätzt.
„Ich höre in den Nachrichten und von Verwandten, dass Tausende an der afghanischen Grenze zu Pakistan warten“, sagte ein Afghane. Seine Versuche, mit seinen sechs Töchtern in eine der Evakuierungsmaschinen zu gelangen, blieben erfolglos. Streng bewacht wird die Grenze zu Tadschikistan, das als einziges Grenzland die Aufnahme von 100.000 Flüchtlingen zugesagt hatte. In den vergangenen Wochen flohen Hunderte afghanische Soldaten über die Grenze.
Wie aus dem Umfeld von privaten Evakuierungsmissionen verlautete, zieht es viele Afghanen auch nach Usbekistan. Das Land hat erklärt, Amerikanern und unter Umständen auch anderen Staatsangehörigen die Durchreise zu ermöglichen. Wie viele Menschen beide Ex-Sowjetrepubliken bereits ins Land gelassen haben, ist derzeit unklar.
Pakistan, wo bereits Hunderttausende Flüchtlinge aus Afghanistan untergekommen sind, hat nach Informationen aus Diplomatenkreisen zuletzt 2.000 Afghanen einmonatige Transit-Visa ausgestellt. Turkmenistan hingegen verfolgt auf diesem Gebiet eine Null-Toleranz-Politik: Auch ethnische Turkmenen, die in Afghanistan leben, haben derzeit keine Chance, über die Grenze zu gelangen – und auch in Zukunft dürfte sich das nicht ändern. Zu den Taliban pflegt die turkmenische Regierung gute Kontakte.
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