Bruch mit Wahlversprechen: Warum Joe Biden seinen Sohn Hunter begnadigt

Bruch mit Wahlversprechen: Warum Joe Biden seinen Sohn Hunter begnadigt
Hunter Biden hätten in den nächsten Wochen zwei Urteile wegen illegalen Waffenbesitzes und Steuerhinterziehung erwartet. Die Republikaner um Donald Trump sind empört.

Im Wahlkampf um das Weiße Haus, der im Juli mit seinem abrupten Rückzug aus Altersgründen endete, hatte Joe Biden beständig ausgeschlossen, in eigener Sache vom präsidialen Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen.

Der 82-Jährige wollte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, seinem einst schwer drogenkranken Sohn Hunter (54) Vorteile gegenüber weniger prominenten Straftätern zu verschaffen. Besonders in Abgrenzung zu Donald Trump, dem vorgeworfen wird, seit Jahren das Justizsystem zu seinem Vorteil zu manipulieren.

Auch die Reduzierung oder Umwandlung einer möglichen Haftstrafe wegen illegalen Waffenbesitzes und Steuerhinterziehung - in beiden Fällen sollte in den nächsten zwei Wochen das Strafmaß verkündet werden - werde er nicht anordnen, ließ der Präsident mehrfach über seine Sprecher verkünden.

All das ist über Nacht Makulatur geworden. 50 Tage vor Verlassen des Weißen Hauses und der Machtübergabe an Donald Trump hat Joe Biden einen radikalen Kurswechsel vollzogen.

"Mein Sohn wurde selektiv und ungerecht verfolgt"

„Heute habe ich eine Begnadigung für meinen Sohn Hunter unterzeichnet. Von dem Tag an, an dem ich mein Amt antrat, habe ich gesagt, dass ich mich nicht in die Entscheidungsfindung des Justizministeriums einmischen würde, und ich habe mein Wort gehalten, auch als ich mit ansehen musste, wie mein Sohn selektiv und ungerecht verfolgt wurde“, sagte er am Sonntagabend in einer vom Weißen Haus veröffentlichten Erklärung.

Bruch mit Wahlversprechen: Warum Joe Biden seinen Sohn Hunter begnadigt

Joe Biden (82, li.) mit seinem letzten noch lebenden Sohn Hunter (54).

Der präsidiale Schutzschirm gilt für alle Straftaten, die Hunter Biden „im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 1. Dezember 2024 begangen hat oder begangen haben könnte oder an denen er beteiligt war“.

Als Begründung führte Biden an: „Kein vernünftiger Mensch, der sich die Fakten in Hunters Fällen ansieht, kann zu einem anderen Schluss kommen, als dass Hunter nur deshalb herausgegriffen wurde, weil er mein Sohn ist. Es wurde versucht, Hunter zu brechen – der seit fünfeinhalb Jahren clean ist, selbst angesichts unerbittlicher Angriffe und selektiver Strafverfolgung. Indem sie versuchten, Hunter zu brechen, versuchten sie, mich zu brechen – und es gibt keinen Grund zu glauben, dass es hier aufhören wird. Genug ist genug.“

Biden betonte, er glaube weiter an das Justizsystem, sei aber „zu der Überzeugung gelangt, dass die Politik diesen Prozess infiziert hat und es zu einem Justizirrtum gekommen ist”. Er hoffe, dass „die Amerikaner verstehen werden, warum ein Vater und ein Präsident zu dieser Entscheidung kommen würde.“

Republikaner außer sich: Biden ein "schandhafter Lügner"

Vertreter der „Grand Old Party” reagierten empört. John Barrasso, die Nummer drei der Republikaner im Senat, sagte: „Die Begnadigung ist falsch. Sie beweist dem amerikanischen Volk, dass es ein zweistufiges Justizsystem gibt.“ Der texanische Abgeordnete Ronny Jackson, einst Leibarzt Donald Trumps, bezeichnete die Bidens als „schandhafte Lügner”.

Dagegen verteidigte der ehemalige demokratische Justizminister Eric Holder die Begnadigung als „gerechtfertigt“ und sagte: „Kein Justizminister hätte diesen Fall angesichts der zugrunde liegenden Fakten angeklagt.“ 

Der Gouverneur von Colorado, Jared Polis, ein Demokrat, erklärte, er habe Verständnis für den „natürlichen Wunsch des Präsidenten, seinem Sohn zu helfen“, indem er ihn begnadigt, fügte aber hinzu: „Ich bin enttäuscht, dass er seine Familie über das Land stellt. Dies ist ein schlechter Präzedenzfall, der von späteren Präsidenten missbraucht werden könnte und leider seinen Ruf trüben wird.“

Donald Trump begnadigte einst den Vater seines Schwiegersohns

Donald Trump kritisierte die Entscheidung zunächst nur indirekt. Er fragte, ob auch die inhaftierten Teilnehmer des blutigen „Sturms aufs Kapitol” vom 6. Januar 2021, die missbräuchlich verurteilt worden seien, von Bidens Begnadigungs-Dekret profitieren; was nicht der Fall ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident seine Machtfülle einsetzt, um das Strafmaß eines Familienmitglieds umzuwandeln. An seinem letzten Tag im Amt begnadigte Präsident Bill Clinton seinen Halbbruder Roger Clinton nach Vorwürfen des Kokainmissbrauchs. Einen Monat vor seinem Ausscheiden 2021 begnadigte Donald Trump den Vater seines Schwiegersohns Jared Kushner, Charles Kushner, für Steuerhinterziehung und andere Verbrechen.

Was Hunter Biden konkret vorgeworfen wird

Hunter Biden war im Juni von einer Geschworenen-Jury im Bundesstaat Delaware verurteilt worden, weil er vor sechs Jahren auf einem Formular für den Kauf einer Waffe gelogen hatte. Er hatte ein Kästchen angekreuzt, in dem er angab, keine illegalen Drogen zu nehmen, und dann diese Waffe elf Tage lang illegal als Drogenkonsument besessen. Hunter Binden war damals Crack-süchtig.

Unabhängig davon bekannte er sich im September in Kalifornien in neun Fällen wegen Steuerhinterziehung schuldig. Beide Fälle wurden von Sonderstaatsanwalt David Weiss verfolgt, der von Bidens Justizminister Merrick Garland ernannt worden war.

Der Waffen-Fall hätte eine potenzielle Gefängnisstrafe von 25 Jahren nach sich ziehen können. Viele Rechtsexperten hielten das aber nicht für sehr wahrscheinlich, weil Hunter Ersttäter war, die Waffe keine zwei Wochen besaß und nie benutzt hatte. 

Die Steueranklagen waren schwereren Kalibers. US-Bezirksrichter Mark Scarsi in Los Angeles hatte Hunter Biden bedeutet, dass ein Schuldeingeständnis ihm bis zu 17 Jahre Haft und Geldstrafen von bis zu 1,3 Millionen Dollar bescheren könnte. Trotzdem nahm Biden die Schuld auf sich.

Familientragödie: Hunter Bidens Mutter starb bei einem Autounfall im Beisein der Kinder

Trotz aller öffentlichen Bekenntnisse gingen im Umfeld des Präsidenten viele davon aus, dass Joe Biden seinen letzten noch lebenden Sohn am Ende vor einer denkbaren Haftstrafe verschonen würde. Hunter und sein Bruder Beau wurden 1972 bei einem Autounfall schwer verletzt, bei dem ihre Mutter und ihre kleine Schwester ums Leben kamen. Beau Biden starb 2015 an einem Hirntumor. 

Bruch mit Wahlversprechen: Warum Joe Biden seinen Sohn Hunter begnadigt

Joe Biden mit seinem Sohn Beau, einst Generalstabsanwalt im Bundesstaat Delaware. Beau starb 2015 an einem Hirntumor.

Hunter Biden war nach dem Tod von Bruder Beau in eine Spirale der Drogenabhängigkeit geraten. Darin steckte er auch noch, als Joe Biden 2019 ankündigte, gegen Trump anzutreten. Während des Wahlkampfs wurde Hunter ein häufiges Ziel von Trump, der den demokratischen Kandidaten mit der Frage „Wo ist Hunter?” verspottete.

Während Bidens Präsidentschaft stand Hunter, der seine Sucht überwand, wieder geheiratet und einen Sohn bekommen hatte, seinem Vater bis zur Ansprache im Oval Office bei, als Biden im Sommer den Rückzug von der Präsidentschaftskandidatur verkündete.

US-Medien sehen Joe Bidens Argumentation kritisch

Zwei von den Republikanern geführte Ausschüsse des Repräsentantenhauses versuchten Hunter Biden jahrelang nachzuweisen, dass er nur wegen seines Nachnamens zu lukrativen Posten gekommen sei und seinen alten Herrn davon profitieren ließ. Beweise dafür konnten sie nie vorlegen. Donald Trump hatte bis zuletzt von der „Biden-Verbrecherfamilie” gesprochen, die durch Hunter Biden Millionensummen in China und der Ukraine eingestrichen habe.

Joe Bidens Argument, dass sein Sohn Opfer des politischen Eifers der Republikaner geworden sei, wird in US-Medien kritisch gesehen. 

Richtig sei, dass es einen „Deal” zwischen Anklage und Verteidigern gab, der Hunter Binden sowohl beim Waffen- als auch beim Steuervergehen Straffreiheit beschert hätte. Diese Vereinbarung sei geplatzt, weil der zuständige Richter legitime Zweifel an der Rechtmäßigkeit geäußert hatte. Nicht, weil Republikaner aktiv interveniert hätten.

Kommentare