Was heute unendlich einfacher ist: Das Gästehaus der iranischen Staatsführung in Teheran, in dem der politische Chef der Hamas, Ismail Haniyeh, in der Nacht auf Mittwoch getötet wurde, sei heutzutage von jedem PC aus als Luftaufnahme sichtbar, meint Schimron. "Baupläne, Stromanschlüsse, Verkehrslage – alles online. So etwas auszuforschen hat früher Wochen oder Monate gedauert."
Segen und Fluch
Segen der Technologie – aber auch ihr Fluch, denn auch die Gegenseite hat Zugang zu ihr. "Und damit ist auch eine Tarnungsgeschichte zu konstruieren heute um ein Vielfaches aufwendiger. Jeder Hinz und Kunz kann in Sekunden ein schlecht konstruiertes Narrativ am Handy auffliegen lassen. Jeder Mensch ist online durchsichtig." Unsichtbar hingegen, aber allgegenwärtig gerade in Diktaturen, seien Kameras und Abhörsysteme.
So rasend sich die Technologie auch verändern mag, am Ende steht da immer ein Agent. Allein. "The boots on the ground", sagt Schimron.
Hamas-Chef Haniyeh war nicht der erste Terrorist, der durch einen Sprengsatz aus dem Bett flog. In den 1970er-Jahren passierte das einer Reihe palästinensischer Terroristen, die das Attentat gegen die israelische Olympiamannschaft 1972 in München verübt hatten.
Warten auf die Reaktion des Iran
Ob Haniyeh tatsächlich, wie gemeldet, durch einen vor zwei Monaten versteckten Sprengsatz getötet wurde? "Möglich ist alles. Auch dass so eine gezielte Tötung durch gezielte Meldungen nebenher zur psychologischen Kriegsführung genutzt wird. In Teheran werden jetzt sicher viele vor dem Schlafengehen unters Bett schauen. So was gehört dazu."
Aber auch in Israel gehen die Menschen jetzt schlafen, ohne genau zu wissen, was in der Nacht alles passieren kann. Irans Gegenschlag wird erwartet. Wie kann er aussehen? "Das wissen wahrscheinlich nicht einmal die Mullahs genau. Sicher ist nur: Eine Reaktion wird kommen."
Schießt der Iran noch einmal wie im April auf Israel mit mehreren Hundert Drohnen und Raketen? Kommen dann aber wie damals wieder nur vereinzelte Raketen ans Ziel, wäre das alles andere als rühmenswert. "Der Iran und seine Verbündeten haben zwar Angriffsraketen, aber nicht die Luftschutzsysteme wie Israel sie hat", weiß Schimron.
"Wo gehobelt wird, fallen Späne"
Gelungene Angriffe des Mossad gegen Terroristenführer im ganzen Nahen Osten finden in den letzten Monaten immer wieder ihren Weg in die Medien. Hat der Mossad nur Erfolge? Schimron lacht laut auf. "Einige Misserfolge schafften es ja auch in die Schlagzeilen. Wie 1997 das Attentat gegen Hamas-Führer Khaled Meshaal in Amman (Dieser wurde Opfer eines Giftanschlags auf offener Straße – und überlebte, Anm.).“ Was beinahe die guten Beziehungen Israels mit dem jordanischen König Hussein zerstört hätte. In der norwegischen Kleinstadt Lillehammer wiederum tötete der Mossad wegen einer simplen Verwechslung den falschen Mann. Schimron: "Wo gehobelt wird, fallen immer Späne. Aber wer blickt schon auf Späne?"
Was aber bringt das Medienecho nach erfolgreichen Attentaten? Schimron zögert nicht lange: "Der Mossad hat sich einen Ruf als Serienattentäter erarbeitet. Was aber richtig gesehen werden muss: Jede Mission setzt die Verarbeitung von ungeheuren Informationsmengen voraus und endet mit Pinzettenarbeit vor Ort."
So etwas werde nicht leichtfertig unternommen, nur weil man es könne, betont Schimron: "Jedes Attentat hat seine eigenen Ursachen und Folgen." So bremste das Mossad-Attentat auf Imad Murhniye, einem der meistgesuchten Terroristen der Welt, 2008 in Damaskus die militärischen Planungen der Hisbollah auf Jahre hinaus.
Schimron zitiert einen früheren Mossad-Chef, Zvi Samir, der die Attentate gegen die München-Terroristen befehligt hatte. Dieser rechtfertigte vor der damaligen Premierministerin Golda Meir die sich über Jahre hinziehende Mission: "Das wird keine Racheaktion." Samir sah im Kampf gegen die Terroristen auch vorbeugende Terrorabwehr. Das sollte letztlich politisch nutzbar sein und "zu Verhandlungen führen".
Kommentare