„Sie alle sind tote Männer, wir werden sie alle kriegen“, drohte der israelische Premier Benjamin Netanjahu nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober gegen die Führungsriege der Terrororganisation. Mit der Tötung Ismail Haniyehs gelang Israel ein massiver Schlag gegen seinen Feind – und das in der Hauptstadt des Todfeindes Iran. Kurz nachdem er Irans neuem Präsidenten Massud Peseschkian zur Angelobung gratuliert hatte, schlug eine Rakete in die Residenz des Hamas-Chefs ein.
Blamage für Iran
Das Versäumnis, den Führer eines Verbündeten in der iranischen Hauptstadt zu schützen, stellt für den Iran eine massive Blamage dar. Haniyeh hatte sich am Dienstag kurz vor seinem Tod mit Ayatollah Ali Khamenei, dem Obersten Führer des Iran, getroffen. Außerdem stellt sich die Frage nach der Sicherheit der iranischen Spitzenpolitiker und der Fähigkeit Israels, sie ins Visier zu nehmen.
Netanjahus Signal: „Ihr könnt euch verstecken, wo ihr wollt, wir kriegen euch.“ Einige Stunden zuvor wurde in Beirut Hisbollah-Kommandant Fuad Schukr getötet – er soll den Befehl zum Abschuss der Falaq-1-Rakete gegeben haben, die am Samstag zwölf Kinder in der israelischen Drusenstadt Madschal Shams tötete.
Dass die Racheaktionen so wenige Tage nach dem Bombardement erfolgten, lässt darauf schließen, dass israelische Geheimdienste exakt wissen, wo sich wer aufhält – und wie er getötet werden kann. Es wird wohl nie ans Licht kommen, wie die Aufklärungsarbeit vonstattenging, doch die Möglichkeiten Israels müssen massiv sein.
Kein Kommentar
Und wie lang der Arm der israelischen Geheimdienste ist, zeigten sie in der Vergangenheit des Öfteren. Wenngleich sich Israels Regierung in gewohnter Weise nicht zum Tod Haniyehs äußern wollte. „Wir kommentieren diesen speziellen Vorfall nicht“, sagte Sprecher David Mencer.
Israel fühle sich den Verhandlungen für eine Waffenruhe im Gazastreifen verpflichtet. Es wolle eine Vereinbarung zur Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln. Dies dürfte nach den jüngsten Tötungen noch schwieriger werden.
Ferngesteuerte Waffe
Es ist nicht das erste Mal, dass Israel seine Feinde in Teheran tötet: Im Mai 2022 etwa erschossen Unbekannte Sajad Chodai, den Oberst der Revolutionsgarden, auf offener Straße, flohen auf Motorrädern – und wurden nicht gefasst. Man vermutet, dass Israel dahintersteckt. Im selben Monat erkrankten zwei iranische Wissenschafter plötzlich und starben innerhalb weniger Tage; der Iran behauptete, dass israelische Agenten ihr Essen vergiftet hätten.
Im November 2020 starb der iranische Atomphysiker und „Vater des iranischen Atomprogramms“ Mohsen Fachrisadeh. Angeblich durch ein ferngesteuertes Gewehr, das auf einen Nissan-Pick-up montiert worden war. Kurz darauf soll das Fahrzeug explodiert sein, um etwaige Spuren zu verwischen.
Computervirus
Der Iran meldete, er habe Anzeichen für eine israelische Machart des Gewehrs gefunden. Da sich das Attentat zwischen der Abwahl Donald Trumps und der Angelobung Joe Bidens ereignete, vermuten Beobachter, dass Israel eine etwaige Annäherung zwischen den USA und dem Iran von vornherein verhindern wollte.
Das iranische Atomprogramm war Israel schon vor 14 Jahren ein Dorn im Auge. Ein Luftangriff auf Einrichtungen wäre wohl zu risikoreich gewesen, doch plötzlich waren die iranischen Zentrifugen zur Produktion hochangereicherten Urans fehlerhaft.
Der Grund: Der Computervirus Stuxnet. Israel war es offenbar gelungen, eine Schadsoftware einzuschleusen, die sich selbst ohne dauerhafte Internetverbindung modifizierte und gezielt spezifische Steuereinrichtungen genau jener Marke angriff, die der Iran verwendete.
Noch leben einige Hamas-Führer – allen voran Yahya Sinwar und wahrscheinlich auch Mohammed Deif, der bisher stets knapp mit dem Leben davon kam. Zuletzt wahrscheinlich vor wenigen Wochen, als Israel in der Nähe des Flüchtlingscamps Al Mawasi bombardierte, um den Hamas-Militärchef zu töten. Doch gut schlafen dürften sie nach der Nacht auf Mittwoch nicht.
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