Im Hintergrund steht der Iran. Hamas wie Hisbollah sind seine Verbündeten. Der Abnutzungskrieg gegen Israel wird von Teheran unterstützt und gelenkt. Mit Geldern und Waffen. Seine Ausweitung auf die gesamte Region würde aber den Iran direkt bedrohen. Mit Folgen, die Irans neue Regierung nicht gebrauchen kann.
Irans Chancen stünden in einem Krieg schlecht
Denn auch die Iraner sind unzufrieden mit ihrer sich verschlechternden Wirtschaft. Sie sehen die finanzielle Unterstützung der islamistischen Verbündeten in ganz Nahost als rausgeschmissenes Geld. In den anonymen Netzwerken äußern sie ihren Jubel über den gelungenen Angriff Israels. Unüberhörbar auch für die herrschenden Mullahs. Israels Anschlag mitten in Teheran war nicht der erste. Der völlig misslungene Luftangriff des Iran gegen Israel mit 300 Raketen und Drohnen im April ist in aller Erinnerung. In einem direkten Krieg mit Israel stünden Irans Chancen schlecht.
Wie wirkungsvoll gezielte Tötungen im Kampf gegen Terroristenführer sind, ist fraglich. Ein Nachfolger steht schnell bereit. Oft ist er dann auch noch gefährlicher als sein Vorgänger. Doch die Angriffe gegen Hamas- und Hisbollah-Führer in den letzten neun Kriegsmonaten zeigen Wirkung. Um Jechije Sinwar, den Chef der Hamas im Gazastreifen, ist es leer geworden. Auch Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sieht breite Lücken, wenn er um sich blickt. So schnell wie sonst wird Ersatz diesmal nicht zur Stelle stehen.
Konkurrenten innerhalb der Hamas
Fuad Schukr war ein Urgestein der Hisbollah. Er war Nasrallahs wichtigster Berater. Die USA hatten 5 Millionen Dollar auf seinen Kopf gesetzt. Stand er doch hinter dem Selbstmordanschlag, der 1983 in Beirut 250 US-Soldaten tötete. Er gab auch am Samstag den Befehl zum Abschuss, der 12 Kinder tötete.
Haniyeh und Sinwar galten in der Hamas als Konkurrenten. Der immer finster dreinblickende Sinwar drängte 2017 den charismatisch lächelnden Haniyeh von der Hamas-Führung im Gazastreifen auf den Posten des Auslandschefs ab. Doch in den ersten und letzten freien Wahlen zu einem palästinensischen Parlament 2006 siegte Haniyehs Charisma mit Abstand gegen die bis dahin unangefochtene, aber korrupte Fatah-Organisation.
Als Ministerpräsident war er dann nicht so erfolgreich. Unter seiner Führung vertrieb die Hamas in blutigen Kämpfen die Fatah aus Gaza. Um den wirtschaftlichen Niedergang infolge eines internationalen Boykotts zu beenden, versuchte sich Haniyeh als Pragmatiker. Wobei er sogar einen Frieden mit Anerkennung Israels „nicht ausschloss“. Was aber in der Hamas für Aufruhr sorgte. Schon nach wenigen Tagen wurde aus dem „Frieden“ eine „Hudna“. Also ein langfristiger Waffenstillstand. Zu einer möglichen Anerkennung Israels stellte Haniyeh klar: „Hamas wird das zionistische Gebilde niemals anerkennen.“
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Er lebte weiter im Flüchtlingslager Schati, wo er 1962 geboren wurde. Immer wieder prangerte er die Korruption der Fatah an. Seine Familie aber wurde immer reicher. Der Kauf von Millionen teuren Villen machte Schlagzeilen. Bei den Luftangriffen auf Gaza kamen aber 14 Angehörige seiner Familie ums Leben. Mit Versuchen, einen Ausgleich mit der Fatah zu finden, scheiterte er mehrmals.
Er war sogar bereit, eine überparteiliche Technokraten-Regierung zu akzeptieren. Eine Möglichkeit, die auch für einen Neuanfang im Gazastreifen nach dem jetzigen Krieg in Betracht kommen kann. Der Chefstaatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshof kann nach seinem Tod seine Forderung nach weltweiter Fahndung aufheben: „Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Israels Zivilschutz erhöhte bislang trotz der neuen Spannungen nicht die Alarmstufe. Der Kriegsalltag geht erst einmal weiter wie gehabt. Wie auch die Verhandlungen um einen Geiselaustausch mit der Hamas. Premier Benjamin Netanjahu wie Sinwar hatten es bislang nicht allzu eilig damit. Doch ohne Freilassung der Geiseln geht der Krieg im Gazastreifen weiter. Und somit auch der Krieg im Norden.
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