Aktuell will die Welt beschwichtigen und Geduld anmahnen. Wie die Woche zuvor in Teheran geben sich die Außenminister jetzt in Jerusalem die Klinke in die Hand. Einige ausländische Staatschefs sprechen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu am Telefon. Nicht selten lässt sich der Premier entschuldigen: Keine Zeit. "Die iranische Regierung hat uns letzte Woche in Spannung versetzt", so Netanjahu, "jetzt sollen die mal angespannt sein." Was bereits zum Gegenschlag gehört: psychologischer Druck.
Israel verspricht Absprache mit USA
Washington hat sich nur unwillig damit abgefunden, dass Israel auf einen Gegenschlag nicht verzichten will. Jerusalem geht es um Abschreckung. Washington geht es vor allem um die Vermeidung einer Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region. Israel versucht zu beruhigen: Um die Ausweitung des Kriegs zu vermeiden, soll jede Reaktion im Vorhinein mit Washington abgesprochen werden: "Keine Überraschungen. Keine Gefährdung von US-Soldaten in der Region."
Von dem Attentat auf den General der Iranischen Revolutionsgarden mitten in Damaskus wurde die US-Armee erst in letzter Minute unterrichtet. US-Soldaten im Irak waren überrascht, als kurz nach dem Anschlag iranische Raketen ihre Stellungen angriffen.
Zivilbevölkerung soll verschont bleiben
Ganz wichtig: Wo, wie und wann Israel auch zurückschlagen sollte – die iranische Zivilbevölkerung darf unter keinen Umständen das Ziel sein. Sie leidet ohnehin unter der wachsenden wirtschaftlichen Misere im Iran, was die Unzufriedenheit mit dem Mullah-Regime steigen lässt. Zivile Opfer können diese Entwicklung in "nationale Einheit und Zusammenschluss" umkehren. Angriffe gegen Strom- und Wasserversorgung dürften also ausgeschlossen sein.
Was könnte Israel noch aus seinen militärischen Schubläden ziehen? Allem voran den Beschuss wichtiger Einrichtungen des Staates. Nukleare Einrichtungen hat Israel schon in der Vergangenheit gezielt angegriffen. Je härter der Schlag und je tiefer im Land, dürften solche Angriff die klerikalen Herrscher in Teheran empfindlich treffen. Doch deren Durchführung wäre schwierig, wie auch die Gefahr eines erneuten iranischen Angriffs auf Israel steigen würde. Der Iran droht bereits: "Unser nächster Angriff wird härter sein. Auch mit Waffen, die bislang unbekannt sind."
Angriff aus dem Netz
Aus der Vergangenheit bekannt sind auch israelische Cyber-Angriffe auf wichtige Einrichtungen im Iran. Die Stuxnet Attacke 2016 wurde von der Mullah-Regierung verharmlost. Nicht-staatlichen iranischen Quellen zufolge soll der angerichtete Schaden im Natanz-Reaktor bis heute spürbar sein. 2023 beschuldigte der Iran Israel, das iranische Tankstellennetz lahmgelegt zu haben. Ein für alle spürbarer Cyber-Angriff würde klar in die leichtere, aber durchaus schädliche Version von Vergeltung fallen.
Möglich wäre auch eine Mischung aus Cyberattacken und beschränkten militärischen Angriffe, nicht unbedingt im Iran, sondern möglicherweise auch gegen Irans Proxy-Milizen in Libanon, Syrien, Irak und Jemen.
Geisel-Deal statt Angriff?
Ein Verzicht auf direkte Angriffe im Iran könnte sogar diplomatisch genutzt werden, glaubt der angesehene Iran-Experte Meir Javedanfar. Als Gegenleistung könnte Teheran hinter den Kulissen Druck auf den derzeit zögernden Hamas-Chef Jechije Sinwar ausüben, in einen Geisel-Deal mit Gefangenenaustausch und Feuerpause einzuwilligen. Wodurch Israel auch wieder seinem einzigen klar formulierten Kriegsziel im Gazastreifen näherkommen würde: die Befreiung der israelischen Geiseln aus der Hamas-Gefangenschaft. Als Alternative droht ein Abnutzungskrieg in Gaza und ein Raketen-Ping-Pong zwischen Iran und Israel – mit schwer einschätzbarem Ende.
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