Eigentlich sollten die EU-Regierungschefs diesmal ausschließlich über Wirtschaft reden. Mehr globale Wettbewerbsfähigkeit, mehr Innovation und mehr Rüstung sollte auf der Tagesordnung des EU-Gipfels stehen, der am Mittwoch in Brüssel beginnt. Doch die Weltpolitik wird diese Tagesordnung ordentlich umkrempeln. Seit dem Angriff des Iran auf Israel werden auch in Brüssel die Forderungen nach einer entschlossenen Antwort auf die Aggression des Mullah-Regimes laut.
Die Wirtschaft des Energieriesen Iran und jene, die sie kontrollieren, sollen empfindlich getroffen werden. "Hart und geschlossen" müsse Europa jetzt reagieren, meinten Spitzenvertreter der deutschen Sozialdemokraten, aber auch der CDU übereinstimmend. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sprach ebenfalls von einer "klaren Antwort" an Teheran, die jetzt nötig sei.
Und diese klare Antwort, das zeichnet sich in den hektischen Gesprächen in Brüssel zu Wochenbeginn ab, muss den wirtschaftlichen Druck auf Teheran erhöhen - auch um damit Israel von einer allzu massiven Militäroperation abzubringen.
Sanktionen hin, Sanktionen her
Sanktionen gegen den Iran, das ist ein politisches Hin und her, das die EU, die USA und nicht zuletzt die UNO seit der Islamischen Revolution 1979 beschäftigen, spätestens aber seit dem Streit um das Atomprogramm des Iran, der Mitte der Nullerjahre voll ausbrach. Iranisches Vermögen im Ausland wurde eingefroren, westliche Investitionen und Bankgeschäfte im Iran blockiert, iranische Ölexporte in den Westen drastisch reduziert.
Als man sich schließlich in Wien 2015 auf ein Abkommen über dieses Atomprogramm einigte, wurden viele der Sanktionen aufgehoben. Die USA aber kehrten unter Ex-Präsident Donald Trump zu harten Sanktionen zurück. Die Folge: Noch immer sind fast Hundert Milliarden Dollar an iranischem Vermögen in den USA eingefroren.
Die EU hat erst kürzlich neue Sanktionen gegen den Iran verhängt und zwar gegen jene Firmen, die massenweise Drohnen an Russland lieferten, mit denen es die Ukraine angreift.
Revolutionsgarden im Visier
Der Iran wurde Ende 2022 von Massenprotesten gegen das Mullah-Regime erfasst. Auslöser war die Ermordung der jungen Kurdin Mahsa Amini durch die Sicherheitskräfte. Das ins Wanken geratene Regime ging mit brutaler Gewalt gegen die Proteste vor. Die religiöse Führung schickte die Schlägerbrigaden der Revolutionsgarden auf die Straßen.
Die Revolutionsgarden sind eine der Machtzentralen des Gottesstaates, sie kontrollieren nicht nur diese Schlägertrupps, sondern auch militärische Eliteeinheiten im In- und Ausland - und sie haben große Teile der iranischen Wirtschaft - also auch den Ölexport, oder die Bauwirtschaft - unter Kontrolle. Gegen diese Revolutionsgarden verhängte die EU nach der Niederschlagung der Massenproteste umfassende Sanktionen.
Schwer zu kriegen
Der Effekt aber, so urteilen Iran-Experten, war bescheiden. Der Iran hat nach Jahrzehnten unter Sanktionen ein riesiges wirtschaftliches Netzwerk aufgebaut, um diese Sanktionen zu umgehen. Das betrifft auch und vor allem die Revolutionsgarden. Die seit dem Vorjahr sanktionierten Führer der Revolutionsgarden haben ihre Geschäfte längst Stellvertretern und Schattenmännern anvertraut. Deren Spur aufzunehmen und sie schließlich ebenfalls zu bestrafen, scheint unmöglich. Auch wenn man es in Brüssel jetzt - so war aus den hektischen Gesprächen vor dem EU-Gipfel zu erfahren - noch einmal versuchen will.
Öl auf Umwegen
Ganz ähnlich die Schwierigkeiten, die Ölgeschäfte des Iran zu unterbinden. Die größten Abnehmer iranischen Öls sind China und Indien, beide Länder aber denken nicht daran, sich ihre Geschäftsbeziehungen mit Teheran stören zu lassen. Vor allem China, das den Iran im Gegenzug mit Technik und Maschinen beliefert, hat die Menge importierten Öls aus dem Iran in den vergangenen Jahren immer weiter gesteigert. Laut US-Quellen exportiert der Iran inzwischen wieder Rekordmengen an Öl, ganz so als ob es keine Sanktionen gäbe.
Schattenflotte
Außerdem hat Teheran in den vielen Jahren unter Sanktionen eine Schattenflotte an Tankern aufgebaut, die zwar iranisches Öl transportieren, aber unter anderen Flaggen unterwegs sind. So landet iranisches Öl auch weiterhin in Europa. Die Zahlungen fließen über Umwege, über Banken in den arabischen Golfstaaten, aber auch Kasachstan, oder Turkmenistan an die Verkäufer im Iran.
Auch die Vermögen von Iranern im westlichen Ausland sind bis heute nur lückenhaft erfasst. Die Sanktionen treffen daher meist nur einzelne Spitzenvertreter des Regimes im Iran. Ihre Konten im Westen sind gesperrt, sie können nicht ins Ausland reisen, etwa um in Europa zu studieren, wie es viele Kinder der iranischen Elite gerne tun.
Die Wirtschaft des Iran aber haben all diese Maßnahmen bisher nicht in die Knie zwingen können. Nach fast zwei Jahrzehnten an Sanktionen, laufen sowohl das Atomprogramm des Iran als auch dessen internationale Ölgeschäfte weiter auf Hochtouren - und die Elite der Revolutionsgarden hat längst Mittel um Wege, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen.
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