Nimmt man die seit einem Jahr andauernden Kämpfe in Nordisrael und Südlibanon als Maßeinheit, war ein Kriegsende an der israelisch-libanesischen Grenze noch niemals weiter entfernt.
Täglich beschießt die Hisbollah Israel bis weit ins Landesinnere mit Dutzenden Raketen und Kampfdrohnen. Hunderttausende Grenzbewohner auf beiden Seiten sind evakuiert. Israels Bodenoffensive im Südlibanon ist weit vorgedrungen, seine Kampfflugzeuge bombardieren täglich Ziele im gesamten Libanon. Auch in Beirut. Auch in Syrien.
Die Hisbollah ist schwer angeschlagen, aber weiter durchaus schlagkräftig.
Fortgeschrittene Verhandlungen, aber Streit um Recht auf Gegenschläge
Optimisten sehen die verstärkten Angriffe als Endphase der Kämpfe. Parallel zur Endphase in den Verhandlungen. So habe die Hisbollah in den letzten Wochen durchaus in einigen der strittigsten Verhandlungspunkte Kompromissbereitschaft gezeigt.
Eine vorhergehende Beilegung der Kämpfe Israels im Gazastreifen soll etwa keine Vorbedingung mehr sein; ein bislang immer wieder abgelehnter Rückzug der Schiitenmiliz hinter den Litani-Fluss plötzlich verhandelbar. Dadurch würde Hisbollah eine etwa 30 Kilometer breite Zone vor der israelischen Grenze räumen müssen.
Allerdings bleibt weiter strittig, wie schnell und direkt Israel reagieren kann, sollte das Abkommen doch einmal gebrochen werden - was bei früheren Abkommen seit 1978 immer wieder der Fall war. Israel beharrt auf die Möglichkeit, mit sofortigen Gegenschlägen eingreifen zu können.
Die libanesische Regierung, die in den Verhandlungen mit den USA die Hisbollah vertritt, verweist auf ihr Oberhoheitsrecht und fordert das Vorrecht, selbst für Ruhe an der Grenze sorgen zu dürfen - eventuell zusammen mit internationaler Hilfe. Erst, wenn ihre Bemühungen scheitern, soll Israel selbst tätig werden können.
So war es auch in allen Vorgängerabkommen, die allesamt gescheitert sind. Darum will Israel auf ein sofortiges Eingriffsrecht nicht verzichten. Nicht nur die rechtsextremistischen Koalitionspartner von Premier Benjamin Netanjahu pochen darauf.
Auch die Sprecher der evakuierten Bevölkerung und Bürgermeister aus Israels Norden fordern dieses Recht auf sofortige militärische Gegenmaßnahmen. Darunter auch gestandene linke Politiker: „Ohne direkte Eingriffsmöglichkeiten unserer Armee kehren wir nicht nach Hause zurück.“
Hisbollah gerät auch innenpolitisch unter Druck
Die Hisbollah steht nicht nur wegen der harten militärischen Schläge Israels unter Druck. Sie findet immer weniger zuverlässige Verbündete neben sich. Im Libanon selbst, wie auch im Ausland zaudern ihre bisherigen Bündnispartner oder springen ganz ab.
Die seit Jahren zum Schweigen gezwungene Konkurrenz sunnitischer und christlicher Parteien äußert wieder lauter Kritik. Auch schiitische Kräfte im Parlament zeigen verstärktes Selbstbewusstsein gegenüber der Hisbollah. Parlamentspräsident Nabih Berri von der schiitischen Amal-Bewegung führt den Großteil der Verhandlungen mit den USA.
Als schiitischer Politiker hat er einen direkten Draht zur Hisbollah-Führung. Seine Amal steht aber auch in Konkurrenz zur Hisbollah. Deren Vorherrschaft beruht auf militärischer Stärke. Politisch hat sie aber selbst unter den libanesischen Schiiten nicht die absolute Mehrheit.
USA drängen auf Waffenruhe noch vor Trumps Amtseinführung
Sogar die Schutzmacht Iran zögert. So kündigte das Mullah-Regime in Teheran noch im Oktober nach mehreren israelischen Angriffen und Attentaten schwere direkte Angriffe gegen Israel an. Die aber blieben bis heute aus.
Mit der Wahl des neuen US-Präsidenten Donald Trump wird in Teheran das Risiko direkter US-Angriffe wohl höher als bisher eingeschätzt. Durch vorschnelles Handeln könnten die Mullahs auch die Unterstützung Russlands und Syrien verlieren.
Hinter dem Elan, mit dem US-Unterhändler Hochstein die Verhandlungen führt, steht US-Präsident Joe Biden – aber nicht allein. Auch Nachfolger Trump befürwortet ein baldiges Abkommen, möglichst noch vor seiner Amtseinführung am 20. Januar.
Bleibt nur noch eine Hürde: Israel schließt das Abkommen nicht mit den USA, sondern mit der Hisbollah.
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