Geht der Krieg im Iran weiter? 4 Szenarien für die Straße von Hormus

Iranische Militärübung an der Straße von Hormus
In einem Szenario könnten iranische Schnellboote Schiffe stoppen, entern oder festsetzen – wie bereits 2019 geschehen.

Waffenstillstand? Weitere Eskalation? Nach dem offiziellen Inkrafttreten einer Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran ist die Lage in Nahost alles andere als stabil. Wie sie sich in den kommenden Tagen entwickeln wird, wissen wohl nur die wenigsten. Und in dieser volatilen Lage hat der Iran nach wie vor einen einzigen „strategischen Hebel“, wie es Brigadier Berthold Sandtner, Militäranalyst an der Landesverteidigungsakademie, bezeichnet: Die Schließung der Straße von Hormus.

Das iranische Parlament hat der iranischen Führung genau diesen Schritt „erlaubt“ – 20 Prozent des globalen Ölhandels könnten dadurch abrupt zum Erliegen kommen. Doch wie ließe sich eine solche Sperrung bewerkstelligen? Wie sie durchbrechen? Und wie weit könnte der Iran diesen strategischen Hebel bedienen, ohne sich ins eigene Knie zu schießen? Vier Szenarien.

Phase 1: Grau – Der Kampf im Informationsraum

„Wir befinden uns derzeit in einer sogenannten grauen Phase“, analysiert Sandtner. Diese Phase sei geprägt durch politische Signale und gezielte Desinformation – mit Wirkung auf Märkte und internationale Debatten. Der Beschluss des iranischen Parlaments zur möglichen Sperrung, der aktuell beim Nationalen Sicherheitsrat liegt, gehört dazu. Ebenso wie Störungen im elektromagnetischen Feld: Erste Berichte über GPS-Spoofing und Funkstörungen im Golf von Oman mehren sich.

„Die Phase Grau ist strategisch wertvoll, weil sie Wirkung entfaltet, ohne dass der Iran reale Risiken eingehen muss“, so Sandtner. Auch der Ölpreis hat auf diese Signale stets nervös reagiert. Diese Phase könne beliebig lange aufrechterhalten und moduliert werden – mit minimalem Aufwand und maximaler Unsicherheit.

Phase 2: Gelb – Eskalation ohne Krieg

Kommt es zur nächsten Stufe, „Phase Gelb“, setzt der Iran stärker auf demonstrative Abschreckung. Das bedeutet: sichtbar verstärkte Präsenz der Revolutionsgarden in der Straße von Hormus, vermehrte Patrouillen kleiner Schnellboote, erhöhte Drohnenaktivität sowie eine militärische Aufrüstung der Stützpunkte entlang der Küste und auf strategischen Inseln.

Grafik der Straße von Hormus

Gleichzeitig könnte der Iran gezielt Navigationssysteme stören oder Fake-Nachrichten streuen, um Schiffe zu verunsichern. „Wenn Tankerversicherer abspringen, reicht das oft schon für eine faktische Blockade“, sagt Sandtner. Auf westlicher Seite würde die Gegenreaktion vorerst aus umfassender Aufklärung, elektronischer Kampfführung und einem verstärkten Abschreckungsdispositiv bestehen.

Phase 3: Rot – Die Blockade beginnt

Phase Rot wäre die Eskalation zu einer echten physischen Blockade. Iranische Schnellboote könnten Schiffe stoppen, entern oder festsetzen – wie bereits 2019 geschehen. Militärische Drohungen im Luftraum und gezielte Warnungen an gegnerische Marineeinheiten würden zunehmen. Der Schiffsverkehr würde durch willkürliche Anhaltungen so stark behindert, dass Chaos entstünde.

Spätestens in dieser Phase würde man mit dem Begleitschutz von Handelsschiffen beginnen – ähnlich der „Operation Earnest Will“ im Iran-Irak-Krieg. „Man könnte beginnen, den Luftraum über der Straße zu sperren – mit zwei Trägergruppen durchaus machbar“, sagt Sandtner. Erste Luft-Luft- oder See-See-Zwischenfälle wären in dieser Stufe nicht ausgeschlossen. Die Ausbringung einzelner Minen ist vorstellbar, da es schwer ist, dem Iran deren Ausbringung nachzuweisen.

Phase 4: Schwarz – Der totale Stillstand

„Phase Schwarz ist die Maximalvariante und aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlich“, betont Sandtner. In diesem Szenario würde der Iran beide Schiffskorridore der Straße von Hormus verminen, Schiffe mit Spezialkräften entern, ausländische Kriegsschiffe angreifen und Flugzeuge abschießen. Der maritime Verkehr käme komplett zum Erliegen – mit globalen Folgen für Energie- und Rohstoffmärkte.

Doch dazu müsste der Iran, so Sandtner, zumindest punktuell die See- und Lufthoheit über das Gebiet erlangen. „Das ist technisch kaum machbar und international kaum duldbar.“ Schon die Phase Gelb könnte einen Gegenschlag internationaler Kräfte auslösen. „Denn um verminte Korridore zu räumen, muss man sich in Reichweite iranischer Waffen begeben – ein deutlich anderes Engagement als das Abwerfen von Bomben auf Nuklearanlagen“, so der Brigadier.

Ein Schuss ins eigene Knie

Was gegen eine Eskalation spricht? „Dass die Straße von Hormus der einzige echte strategische Hebel Teherans ist“, erklärt Sandtner. Genau deshalb dürfte das Regime ihn nur mit äußerster Vorsicht einsetzen – auch wegen der engen wirtschaftlichen Bindung an China. Eine echte Sperrung würde nicht nur Teheran, sondern vor allem Peking und Neu-Delhi hart treffen. Der Löwenanteil des Flüssiggases und des Öls geht nach China und Indien. „Und diese Staaten zu vergrämen - das könnte sich das Regime in seiner jetzigen wirtschaftlichen Lage gar nicht leisten.“

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