Österreich und der Nahost-Krieg: "Da zeigt sich eben, wer Macht hat und wer nicht"

AUSSENMINISTERIN BEATE MEINL-REISINGER IN DER UKRAINE
Seit dem massiven Luftschlag der USA gegen den Iran ist die Lage im Nahen Osten ernster als sonst - so ernst, dass Kanzler Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) für Mittwochnachmittag den Nationalen Sicherheitsrat im Parlament einberufen haben.
Was die heimische Regierungsspitze fordert, ist aber schon heute klar: "Alle Seiten", also im speziellen das Regime in Teheran, müssen an den Verhandlungstisch zurückkehren. Außerdem dürfe es keine nukleare Bewaffnung des iranischen Regimes geben, "und das Völkerrecht ist zu achten".
Mit diesen wenig überraschenden Äußerungen teilt Österreich das Vorgehen der meisten anderen EU-Staaten: Man müsse eine Meinung oder Forderung äußern, obwohl man wenig Wirkmöglichkeit habe, sagt der frühere Spitzendiplomat und nunmehrige Experte am Think Tank Carnegie Europe, Stefan Lehne.
Österreich bewege sich außenpolitisch innerhalb des EU-Rahmens, vieles bleibe da nur Symbolpolitik - gezwungenermaßen. Denn "heute, wo Geopolitik wieder eine viel größere Rolle spielt, da zeigt sich eben, wer Macht hat und wer nicht", sagt Lehne.
Diese Macht liegt nicht bei Österreich - viel mehr schon bei Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron sich sehr wohl gestattet, die US-Angriffe auf die iranischen Atomanlagen zu kritisieren: „Man muss es so sagen, wie es ist: Es gibt keinen legalen Rahmen für diese Schläge“, wies er das von US-Präsident Donald Trump erteilte militärische Vorgehen zurück.
Kritischer Kurs Österreichs
Wo liegt die Macht und das außenpolitische Selbstverständnis der Grande Nation? Unter anderem bei einer schlagkräftigen Armee mitsamt atomarer Bewaffnung (der einzigen in der EU) und einem Sitz im UN-Sicherheitsrat. Spricht und fordert Macron, hat es deshalb mehr Gewicht als außenpolitische Zurufe aus Wien.
Was noch lange nicht bedeuten muss, dass Österreich keine außenpolitische Linie fährt. Im Gegenteil, schwenkte die Regierung mit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger vom bisher strikt pro-israelischen Kurs der Regierungen Kurz und Nehammer auf einen deutlich kritischeren Kurs um. "Wir fordern weiterhin, dass alle Geiseln freigelassen werden, die von der Hamas entführt wurden. Aber alle Hilfslieferungen nach Gaza zu blockieren, geht einfach nicht. Israel muss das Völkerrecht einhalten. Das ist eine rote Linie", sagte die Ministerin in einem Interview mit dem profil. Derart kritische Töne wären von den Vorgänger-Regierungen nicht zu hören gewesen.
Doch damit ist dann auch schon Schluss, gegen einen noch schärferen Kurs gegenüber der israelischen Regierung stemmt sich Österreich: Einige EU-Staaten wollen wegen Israels Vorgehen in Gaza das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel zur Strafe aussetzen - während Berlin und Wien eine Suspendierung des Abkommens strikt ablehnen.

PLO-Chef Yassir Arafat mit dem damaligen österreichischen Kanzler Bruno Kreisky
Weltpolitisch größere Initiativen, wie sie zuletzt der damalige Kanzler Bruno Kreisky in den 1970er-Jahren mit seiner (durchaus auch umstrittenen) Nahost-Politik forcierte, könnte Österreich innerhalb der Europäischen Union heute kaum noch umsetzen. Im nachbarschaftlichen Rahmen hatte sich zuletzt Ex-Außenminister Schallenberg um engere Kooperation mit Tschechien und der Slowakei ("Austerlitz-Format") bemüht. Außenministerin Meinl-Reisinger wiederum, die sich demonstrativ für die Ukraine einsetzt, traut Stefan Lehne "durchaus eine eigenständige Linie" zu - so etwa habe Österreich etwa schon brieflich gegen das von Ungarns Regierung verhängte Verbot der Pride-Parade (28. Juni) protestiert.
Und wie steht es mit der internationalen Vermittlerrolle, in der sich Österreich so gerne sieht? Die letzten derartigen Erfolge lägen auch schon einige Zeit zurück, meint Lehne, das sei überdies innerhalb der EU schwieriger geworden. Zudem: "Vermittler zu sein, heißt sehr viel Geld in die Hand zu nehmen, wie es etwa die Schweiz macht, und über Jahre und Jahrzehnte engagiert zu bleiben."
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