Iran lässt nach Raisis Tod wählen – die Frage ist, wie viele dem Aufruf folgen

Iran lässt nach Raisis Tod wählen – die Frage ist, wie viele dem Aufruf folgen
Von 80 Kandidaten stehen vier zur Auswahl, doch grundsätzlich ist der Präsident nie der erste Mann im Staat.

Heute, Samstag, wird klar, ob der Iran einen neuen Präsidenten bekommt – oder wer in die Stichwahl am 5. Juli einzieht. Doch interessanter dürfte sein, wie viele Iraner überhaupt an die Urnen gingen.

Denn grundsätzlich ist der iranische Präsident nie der erste Mann im Staat, und die Präsidentschaftswahlen stoßen auch bei der iranischen Bevölkerung auf immer weniger Interesse. Misswirtschaft und hohe Inflation (sie lag im vergangenen Jahr bei mehr als 47 Prozent) sorgen für Unmut.

Demonstrationen

Immer wieder finden in Städten Demonstrationen statt – wenn nicht gegen die hohen Lebensmittelpreise und den schwachen Rial, dann gegen die regelmäßigen Misshandlungen junger Frauen durch regierungsnahe Schlägertrupps.

Eine Form des Protests ist die sinkende Wahlbeteiligung. Lag diese 2009 bei 85,21 Prozent, sank sie 2021 auf 48,8 Prozent. Und das war vor den landesweiten Protesten nach der Ermordung von Mahsa Amini.

Von den mehr als 80 Kandidaten, die den verunglückten Ex-Präsidenten Ebrahim Raisi beerben wollen, blieben vier übrig, darunter der derzeitige Parlamentspräsident Bagher Ghalibaf sowie Saeed Dschalilli. Einer von ihnen dürfte das Rennen für das „konservative“ Lager machen – beide stehen in der Gunst des „obersten Führers“. Während Ghalibaf im Ersten Golfkrieg bei den Revolutionsgarden aufgestiegen war und es später zum Bürgermeister von Teheran brachte, ist Dsachlilli ehemaliger Atomverhandler und Ex-Leiter der obersten Sicherheitsbehörde des Iran. 2021 hatte er seine Kandidatur zugunsten Raisis zurückgezogen.

Kritik am Kopftuch

Das „reformorientierte Lager“, das mit Hassan Rohani von 2013 bis 2021 den Präsidenten stellte, wird von Massoud Pezeshkian vertreten.

Im Wahlkampf kritisierte der Politiker die Kopftuchpolitik und warb mit bürgerlichen Positionen für Stimmen. Gleichzeitig bekundete Pezeshkian seine Loyalität gegenüber Khamenei, den mächtigen Revolutionsgarden und lobte den Angriff mit Drohnen und Raketen auf Israel als Stolz der iranischen Nation.

Es ist fraglich, ob er in die Stichwahl kommt. Denn durch die verschärfte wirtschaftliche und geopolitische Lage hat sich das Spektrum, das die Mullahs zulassen, deutlich verengt. Das schreckt einerseits Teile der Bevölkerung ab, andererseits sitzt die Elite der Islamischen Republik fest im Sattel. Eine demokratische Legitimation benötigt sie nicht zwingend. Denn gegen die Revolutionsgarden erwies sich ziviler Protest meist als wirkungslos. Ein echter Machtkampf könnte drohen, wenn Religionsführer Ali Khamenei, 85 Jahre alt und nicht bei bester Gesundheit, sterben sollte.

Im Gespräch als Nachfolger ist Khameneis Sohn Modschtaba (55), der als Kommandant der Basidsch-Miliz die Proteste vor einem Jahr blutig niedergeschlagen haben soll. Dagegen spricht, dass eine Ernennung Modschtabas für viele einer „dynastischen Ordnung“ gleichkäme. Ein Modell, das die Ajatollahs grundsätzlich ablehnen.

Wie stark die Machtkämpfe innerhalb des iranischen Machtzirkels tatsächlich sind, ist schwer zu sagen.

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