Hybride Kriegsführung
Während im Ukraine-Krieg keine Seite zu Verhandlungen bereit sei, sieht Vorhofer eine Konfrontation Russlands und der EU als realistisch an. „Das bedeutet, dass wir 2024 mit einer hohen Wahrscheinlichkeit hybride Kriegsführung erleben“, sagte Vorhofer. Lehrbücher nennen vier Phasen dieser Einsatzart: Voraussetzungen für Einfluss im Zielland schaffen (etwa durch Desinformation), diesen ausüben, später Destabilisierung und schließlich das Niederringen des Gegners. Auch die aus anderen Staaten eingeflogenen Migranten, die durch Russland und Belarus an europäische Grenzen gebracht wurden, sind Teil hybrider Kriegsführung.
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Eines dieser Ziele sei eine Schwächung der Europäischen Integration, also der Versuch, eine Entwicklung der EU zum sicherheits- und außenpolitischen Akteur zu verhindern. Und auch die Migrationsströme sieht Vorhofer in diesem Jahr als Risiko: „Die strukturellen Ursachen für Flucht oder Vertreibung in den Herkunftsstaaten sind immer noch dieselben“, sagte er.
Untermalt wurde sein Argument unter anderem von Afrika-Expertin Antonia Witt, die die Entwicklungen in der Sahelzone, Äthiopien und dem Sudan beleuchtete: Sie ortet in Afrika eine Zunahme politischer Gewalt, eine zunehmende Autokratisierung und immer mehr neue Akteure wie neben China und Russland etwa die Türkei und den Iran.
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Ein weiteres Feld, das bereits seit Jahren immer wichtiger ist, ist der Kampf im Cyberraum: „Die Informationstechnologie ist Teil unseres tägliches Lebens und daher ein lohnendes Ziel“, sagte Vorhofer. In puncto Desinformation setzte er nach: „Es war noch nie so billig und noch nie so leicht, synthetische Inhalte zu kreieren und damit demokratische Länder und Strukturen zu unterminieren.“
Neue Sicherheitsstrategie
All diese Krisen machen eine geeignete Strategie notwendig, jedoch ortet das Risikobild auch eine „Eingeschränkte Strategiefähigkeit Österreichs“ als Ereignis mit „sehr hoher Eintrittswahrscheinlichkeit“.
Nachdem verschiedene Risiken zugleich zusammenwirken – wie etwa die Frage der europäischen Energieversorgung im Schatten des Ukraine-Kriegs – sollten Staaten und Gesellschaften die „komplexe militärische Welt sowie die komplexe zivile Welt“ stärker verbinden und eine gemeinsame Strategie entwickeln. Grundsätzlich hätte Österreich ein solches Werkzeug: Die „Umfassende Landesverteidigung“ (ULV), die auch in der Verfassung verankert ist. Diese gliedert sich in die vier Teilbereiche militärisch, zivil, geistig, wirtschaftlich.
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Eigentlich im Verantwortungsbereich des Bundeskanzleramts, geriet die ULV in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr auf das Abstellgleis. Als Beispiel dafür, wie sehr militärische und wirtschaftliche Risiken miteinander verbunden sind, nannte Vorhofer die Lieferketten-Probleme infolge der Angriffe der Houthis im Roten Meer.
Derzeit ist eine neue österreichische Sicherheitsstrategie in Arbeit – doch das Papier alleine sei nicht genug, sagte Arnold Kammel, Generalsekretär des Verteidigungsministeriums: „Wir müssen diese Strategie auch entsprechend leben und umsetzen. Dafür müssen wir uns aber die Frage stellen, wo unsere Abhängigkeiten sind und wie wir diese reduzieren können.“
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